Nach einem langen Winter der gemeinsamen Migration und des friedlichen Zusammenlebens beginnen Vögel in den ersten Frühlingstagen plötzlich mit aller Kraft zu singen und erschaffen einen eindrucksvollen audiophonen Raum. Sie werden zu Konkurrenten, können die Anwesenheit anderer nicht ertragen und fangen an, sie zu bedrohen und anzugreifen, wenn sie eine Grenze überschreiten, die für den Menschen unsichtbar ist. Was verbirgt sich dahinter? Ein Spiel, die Balz oder eine Form von Territorialität? Oder ist alles doch nur Show? Die belgische Wissenschaftsphilosophin untersucht mit liebevollem Blick die Art und Weise, wie Vögel ihre Welten konstruieren, und Ornithologen versuchen, sie zu verstehen. Sie nimmt Vögel wie Ornithologen genau unter die Lupe und indem sie beide in einem gemeinsamen Raum beobachtet, öffnet sie uns die Augen für die vielfältigen Welten und Existenzweisen auf unserem Planeten, den der Mensch sich mit Vögeln und anderen Arten teilt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Fasziniert, aber auch gefordert zeigt sich Rezensent Thomas Weber von diesem Buch der belgischen Philosophin Vinciane Despret über die Territorialität von Vögeln. Despret ist an Donna Haraway und Bruno Latour geschult, warnt Thomas Weber vor, auf Überraschungen müsse man sich also gefasst machen. Der Rezensent liest gebannt, wie Despret mit der alten Gewohnheit der Biologie bricht, Territorium nur im Kontext von Aggression und Besitz-Verteidigung zu verstehen. Sie setzt dagegen ein vielschichtiges Verhältnis von Gesang und Gemeinschaft, erklärt Weber. Auch kenne Desprets Verhaltensforschung kulturelles Lernen, Persönlichkeiten und Lebensgeschichte. Es kommt eben darauf an, welche Fragen die Wissenschaft stellt, erkennt Weber, der beim nächsten Mal bestimmt den Chorgesang der Vögel in italienischen Wäldern bemerken wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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