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Winters Garten, so heißt die idyllische Kolonie jenseits der Stadt, in der alles üppig wächst und gedeiht, die Pflanzen wie die Tiere, in der die Alten abends geigend auf der Veranda sitzen, die Eltern ihre Säuglinge wiegen und die Hofhunde den Kindern das Blut von den aufgeschlagenen Knien lecken.Winters Garten, das ist der Sehnsuchtsort, an den der Vogelzüchter Anton mit seiner Frau Frederike nach Jahren in der Stadt zurückkehrt, als alles in Bewegung gerät und sich wandelt: die Häuser und Straßenzüge verfallen, die wilden Tiere in die Vorgärten und Hinterhöfe eindringen und der Schlaf der…mehr

Produktbeschreibung
Winters Garten, so heißt die idyllische Kolonie jenseits der Stadt, in der alles üppig wächst und gedeiht, die Pflanzen wie die Tiere, in der die Alten abends geigend auf der Veranda sitzen, die Eltern ihre Säuglinge wiegen und die Hofhunde den Kindern das Blut von den aufgeschlagenen Knien lecken.Winters Garten, das ist der Sehnsuchtsort, an den der Vogelzüchter Anton mit seiner Frau Frederike nach Jahren in der Stadt zurückkehrt, als alles in Bewegung gerät und sich wandelt: die Häuser und Straßenzüge verfallen, die wilden Tiere in die Vorgärten und Hinterhöfe eindringen und der Schlaf der Menschen schwer ist von Träumen, in denen das Leben, wie sie es bisher kannten, aufhört zu existieren.
Sprachmächtig und in sinnlichen Bildern erzählt die junge österreichische Autorin Valerie Fritsch von einer Welt aus den Fugen. Und von zwei Menschen, die sich unsterblich ineinander verlieben, als die Gegenwart nichts mehr verspricht und die Zukunft womöglich ein Traum bleiben muss.
Autorenporträt
Fritsch, Valerie
Valerie Fritsch, 1989 in Graz geboren, wuchs in Graz und Kärnten auf. Nach ihrer Reifeprüfung 2007 absolvierte sie ein Studium an der Akademie für angewandte Photographie und arbeitet seither als Photokünstlerin. Sie ist Mitglied des Grazer Autorenkollektivs plattform. Publikationen in Literaturmagazinen und Anthologien sowie im Rundfunk. 2015 erschien Winters Garten im Suhrkamp Verlag. Sie lebt in Graz und Wien.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein erbauliches Gartenbuch hat Wiebke Porombka gelesen. Oder doch nicht ganz, denn die Idylle, die mancher, so mutmaßt die Rezensentin, als allzu opulent inszeniert kritisieren wird, ist wohl doch ungewöhnlicher, als es zunächst aussieht, und sie ist bedroht. Hinweise dafür findet die Rezensentin in der allegorischen Anlage des Textes und in der eigenwilligen Behandlung von impressionistischen Erzählmustern und -motiven. So überrascht die Autorin Valerie Fritsch die Rezensentin mit einer üppigen Sprache, die unerwartete "Abzweigungen" nimmt, allerhand Leerstellen und einem dunklen Geheimnis, das als Gegenbild zum Garten gewissermaßen reinigend wirkt, wie Porombka zu verstehen gibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2015

Symphonie vom Untergang der Welt

Wenn Kinder sich Lilienkelche ans Ohr halten, als wären es Grammophone: Valerie Fritschs Roman "Winters Garten" konfrontiert Mythos und Großstadtgegenwart in sprachlicher Ekstase.

Wer diesem Roman Böses wollte, könnte ihm Opulenz und Orchestrierung vorwerfen. Und womöglich wird der eine oder andere Leser dies auch tun, schlichtweg deshalb, weil er von der erst 1989 in Graz geborenen Valerie Fritsch mit einer derartigen Wucht herauskatapultiert wird aus dem gewöhnlichen Leseerlebnis einer sanft dahinplätschernden Alltagsprosa, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Aber was würde sich dieser Grantler vergeben? Was könnte er nicht alles hören und sehen auf den gerade einmal 150 Seiten, die "Winters Garten" umfasst und auf denen Valerie Fritsch über nichts Geringeres als über die Untrennbarkeit von Geburt und Tod, die Hoffnungslosigkeit der Liebe und den Untergang der Welt erzählt?

Jener titelgebende Garten ist das kleine Idyll, in dem Anton Winter seine Kindheit verbringt, inmitten einer Großfamilie, die zusammengewachsen ist aus einer bunten Gemeinschaft. Ob es sich um eine Aussteigerkommune handelt, um Lebensreformer etwa, bleibt nebensächlich, entziehen sich doch die Bilder, die Valerie Fritsch in ihrem bereits zweiten Roman entwirft, einer zeitlichen ebenso wie einer geographischen Zuschreibung und öffnen stattdessen einen allegorischen Raum, in dem der paradiesgleiche Garten zum Gegenbild wird von einer Stadt am Meer. Diese Stadt liegt zwar, wie man erfährt, nur eine Stunde entfernt, schimmert aber dennoch nur als vage Ahnung am Horizont der Wahrnehmung, während Anton inmitten einer Schar von Kindern in den Magnolien hockt, sich die Kelche von Lilien ans Ohr hält, als wären es Grammophone, derweil der aufbrechende Flieder alles ringsum in ein Rauschen taucht und die Erwachsenen gemächlich ihre Stühle durch den Garten rücken, immer dem wärmenden Licht der Sonne nach.

Die Natur bestimmt den Rhythmus des Lebens, ohne von den Gesetzen der Zivilisation aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. So gehört auch der Tod selbstverständlich als Teil des Kreislaufes in diese Garten-Existenz. Nicht nur finden die Verstorbenen in diesem Garten ihre letzte Ruhestätte. Staunend betritt der kleine Anton auch ein ums andere Mal die Speisekammer, in der neben Eingemachtem, Säften und Käselaibern im obersten Regal sechs Gläser stehen, mit dunklen Tüchern bedeckt, um sie gegen das Licht zu schützen: "Unter den Stoffen schlummerten phantastische Welten aus Gewebe und Nervenzellen, Geschöpfe eingehüllt in eine weiche nasse Haut, durch die man hindurchsah, als wäre sie eine Fensterscheibe." Antons Großmutter, durch die sein Aufwachsen weit mehr geprägt ist als durch die gesichtslosen Eltern, hält als Teil ihres Lebens ihre Fehlgeburten hier bewahrt.

Nicht nur wenn die österreichische Autorin die altbekannte Dichotomie von heiler Natur und entfremdeter Stadt oder den Glauben an den Urzustand einer heilen Kindheit aufmacht, spielt sie durchaus bekannte Muster aus Romantik oder Impressionismus durch. Aber Fritsch variiert diese Motive auf ganz eigene Art und Weise. Ihre Sprache wuchert ebenso üppig wie der vor Pflanzen berstende Garten, nimmt mitunter ungewöhnliche und überraschende Abzweigungen, denen aber, wie einem ausbrechenden Spross in der Natur, dennoch immer etwas Harmonisches eigen ist.

Indes, die Idylle des Gartens währt nicht ewig. Schon im zweiten Kapitel treffen wir Anton in der Stadt. Er ist mittlerweile Züchter exotischer Vögel, die allerdings nun in Volieren und Käfige gesperrt ihr Dasein auf der Terrasse seiner Wohnung fristen. Dieser gläserne Kubus auf der Spitze eines Hochhauses, der nur noch über die Feuerleiter zu erreichen ist, nachdem der Fahrstuhl defekt und das Licht im Treppenhaus erloschen ist, erscheint wie ein letzter Leuchtturm inmitten einer von Verfall und Elend gezeichneten Stadt. Herrenlose, halb verhungerte Tiere drücken sich an den Hauswänden entlang, nur notdürftig werden die menschlichen Leichen, Selbstmörder ob der Hoffnungslosigkeit oder ihrem Dahinsiechen Erlegene, von Plätzen und Straßen geräumt.

Valerie Fritsch gibt keine Antwort darauf, was derart brachial über diese Welt hereingebrochen ist, und sie stellt dem Leser frei, diesen Endzustand als Gleichnis auf die Gegenwart zu lesen. Ohne Furcht vor pathetischem Furor entwirft Fritsch das düstere Gegenbild zur Gartenidylle. Und beinahe notwendig gehört in diese von Anton mehr mit Fatalismus als mit Schrecken zur Kenntnis genommene Katastrophenszenerie, dass er sich zum ersten Mal überhaupt verliebt. Fast erschreckt man, als die ekstatische und bisweilen verzweifelte Vereinigung mit Frederike, deren Körper ebenso ausgezehrt und dem Tod geweiht scheint wie jener Antons, plötzlich durch ein erstes zaghaftes Gespräch durchbrochen wird. Bis dahin schienen die Menschen zu schweigen, während die Welt um sie herum voll des Ausdrucks war.

Zu einer Symphonie des Untergangs spielt dieser Roman auf, die ebenso grausam wie von anmutiger Schönheit ist, in der Motive variiert, in wechselnden Tonarten der verschiedenen Kapitel wiederauftauchen, ohne dass je die Musikalität des Ganzen durch schiefe, schrille oder schräge Klänge unterbrochen würde.

Ein paar lose, nicht zu Ende gesponnene Fäden mag es in diesem Buch geben, die Figur von Antons Vater etwa, ein verschlossener Geigenbauer, dessen Tätigkeit Anton stets mit Unbehagen erfüllt hat. Warum das so ist, ob etwa schon die Verwandlung von Bäumen in Geigenkörper zu viel des menschlichen Eingriffs ist, bleibt eine der Leerstellen, die dieses Buch lässt.

Dass Anton gemeinsam mit Frederike und seinem nach Jahren unverhofft wiederaufgetauchten Bruder samt dessen Frau und einem Säugling schließlich in den Garten zurückkehrt, verspricht keine Erlösung. Das Paradies der Kindheit ist baufällig geworden. Eingehüllt in fadenscheinige Teppiche und Laken, gewährt dieser Ort allenfalls noch einen vorübergehenden Aufschub, bis sich auch hier das Leben ausgehaucht hat. Wie die Literatur von Valerie Fritsch aber aus diesem Versiegen alles Vitalen in einem fort Energie schlägt, das lässt dem Leser alle Sinne und Körpersäfte auf wundersam heilsame Weise durcheinanderwirbeln.

WIEBKE POROMBKA.

Valerie Fritsch: "Winters Garten". Roman.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 154 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Valerie Fritsch, die Österreicherin vom Jahrgang 1989, hat mit Winters Garten einen überwältigenden, sensationellen, poetischen wie harten Roman über eine Apokalypse geschrieben. Über die Apokalypse und die Liebe."
Hans-Dieter Schütt, neues deutschland 12.03.2015