Wahnsinn und Wahrheit, das Tragische und Bizarre sind im Leben des Jean-Jacques Rousseau nicht auseinanderzuhalten. Dass Verfolgungs- und Größenwahn zusammengehören, lässt sich nirgends besser sehen als an diesem epochemachenden Philosophen, der die ganze verrottete Menschheit auf die Anklagebank setzt. Für alle, mit denen er befreundet ist, entpuppt er sich früher oder später als Monster. Was nicht nur daran liegt, dass er seine fünf Kinder ins Waisenhaus steckt und zugleich eine Erziehungslehre schreibt, die zur Bibel jeder fortschrittlichen Pädagogik wird. Mit leiser Komik beleuchtet Karl-Heinz Ott in diesem Roman ein Leben, das für seinen Protagonisten überhaupt nicht zum Lachen ist.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mit größtem Vergnügen hat Oliver Jungen Karl-Heinz Otts Lebensgeschichte über Jean-Jacques Rousseau gelesen, den schon Nietzsche als "Missgeburt, die sich an die Schwelle der neuen Zeit gelagert hat" bezeichnet habe. "Wintzenried", so der Rezensent, sei keineswegs eine Biografie, das verrate bereits der Titel, der auf einen Perückenmacher anspiele, der Rousseau einst eine Geliebte ausspannte. Vielmehr liest Jungen hier eine wunderbar ironische Geschichte über den Aufstieg eines Mannes, der bei aller Feindseligkeit der Welt gegenüber von den Philanthropen gefeiert wurde und trotz "talibanhafter" Frauenansichten von diesen geliebt wurde. Entgegen der von Kritikern und Bewunderern gleichermaßen pathetischen Rezeption Rousseaus beschreibe Ott den "Popstar der (Anti-) Aufklärung" nicht nur als sozial inkompetenten, an sich selbst leidenden und bei aller Eitelkeit bemitleidenswerten Angeber, der mit selbstgeklöppelten Spitzenbändern Mädchen nachstellte, sondern verfasse ganz nebenbei auch einen "dekonstruktiven" Kommentar zur Antiwissenschaft und zum Starkult der Moderne. Bei so vielem boshaftem Humor sieht der Rezensent gern darüber hinweg, dass der Autor Rousseaus intellektuellen Nachlass vielleicht nicht immer ganz differenziert betrachte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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