Wutausbrüche des Wetters
Zuallererst: Der Titel ̶ wütend, weil ihm stetig steigende Konzentration von Kohlenstoff in der Atmosphäre zugemutet wird? Oder ein Wüterich, der mit Menschen und Natur macht was es will? Aber eins nach dem anderen.
Frau Ottos Vermutung ist, dass die extremen
Wetterereignisse, wie Starkregen, Orkane und Hitzewellen, als auch deren Gegenteile, wie Dürre, Flaute und…mehrWutausbrüche des Wetters
Zuallererst: Der Titel ̶ wütend, weil ihm stetig steigende Konzentration von Kohlenstoff in der Atmosphäre zugemutet wird? Oder ein Wüterich, der mit Menschen und Natur macht was es will? Aber eins nach dem anderen.
Frau Ottos Vermutung ist, dass die extremen Wetterereignisse, wie Starkregen, Orkane und Hitzewellen, als auch deren Gegenteile, wie Dürre, Flaute und Kältewellen von der zunehmenden CO2 ̶ Konzentration in der Luft beeinflusst werden. Die Beeinflussung beinhaltet: kürzere Wiederholzeiten, größere Intensität und womöglich auch größere zeitliche und räumliche Ausbreitung. An sich ließe sich auch das genaue Gegenteil vermuten. Ereignisse der extremen Art werden seltener, schwächer, kürzer. Wahrscheinlicher (und natürlich viel interessanter) ist ersteres.
Bei der Vermutung bleibt es nicht. Frau Otto weist nach, oder behauptet, nachgewiesen zu haben, dass ein großer Teil der von ihr untersuchten Beispiele durch die Klimaänderung beeinflusst werden, und sie ermittelt Zahlen ̶ die Eintrittswahrscheinlichkeit verdoppelt, verdreifacht oder verzehnfacht sich, je nachdem. Sie hat aus ihrer Sicht eine neue Wissenschaft geschaffen, sie nennt das Attributionswissenschaft („event attribution science“).
Hat sie das? Zusammenhänge zu finden ist immanenter Bestandteil jeder Wissenschaft. Im Zeitalter der Epidemiologie untersucht man z.B. die Assoziation von Lungenkrebs und Rauchen. Bekanntlich ist die Sterblichkeit wegen Lungenkrebs weitgehend auf das Rauchen zurückzuführen. Das attributable Risiko der Exponierten beträgt mehr als 90%. Allerdings ist eine Assoziation, auch wenn sie statistisch signifikant ist, nicht notwendig auch kausal.
Unstreitig ist, dass Frau Otto sich einer wirklich wichtigen Fragestellung angenommen hat, und dass, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, ihre Resultate plausibel erscheinen. Ob allerdings aufgrund höherer Kohlenstoff-Anteile in der Luft ein Hurrikan mit einer Wahrscheinlichkeit daherkommt, genau einmal in hundert statt in tausend Jahren aufzutreten, mag diskutiert werden. Dass er wahrscheinlicher wird, dessen ist sich Frau Otto gewiss. Was übrigens viele aus der Szene, allerdings wohl ohne die wissenschaftliche Grundierung, die Frau Otto erarbeitet hat, schon des längerem im Fernsehen verkünden.
Aber wie ist das Ganze im Buch verarbeitet? Es geht ordentlich durcheinander. Berichte über den Harvey-Wirbel wechseln mit Erläuterungen zum Klima; es gibt kurze Beschreibungen der benutzten Verfahren, Ergebnisse, gelegentliche Rückschläge, aber vor allem Erfolge, schnelle Erfolge, bei den Wissenschaftlern und mehr noch bei begierigen Redakteuren. Ich hätte mir aber eine deutlich präzisere, gleichwohl umgangssprachliche Beschreibung der zugrunde liegenden Methoden gewünscht, auf denen die von Frau Otto und Mitarbeiterinnen erzielten Resultate aufbauen. Vielleicht so:
1. Schritt: Ich untersuche die verfügbaren Daten nach Starkregen. Definiere Starkregen nach dieser oder jener Regel. Konstruiere ihre Verteilung und berechne ihre (empirische) „return period“. 2. Schritt: Nehme Modelle, beschreibe sie in Kürze, die einen für ein Klima mit zunehmender Kohlenstoff ̶ Belastung, die anderen ohne. 3. Schritt: Erzeuge („würfele“) aus diesen theoretische Extremereignisse. 4. Schritt: Vergleiche die Eintrtttswahrscheinlichkeiten aus den beiden. 5. Schritt: Gleiche das mit den empirischen ab. Erhalte so die gewünschte Differenz der Eigenschaften der Ereignisse mit und ohne Verschmutzung, jetzt evidenzbasiert. 6. Schritt: Berechne die Unsicherheit der Ergebnisse (das dürfte der schwierigste Part sein).