So wie für Lawrence Durrell das alte Alexandria die Hauptstadt der Erinnerung war, ist für Elias Khoury das wiederaufgebaute Beirut die Hauptstadt der Amnesie. Yalo, der aus einer christlich-syrianischen Familie stammt, wächst in Beirut auf. Jung gerät er in eine der Milizen des Krieges. Nach dessen Ende wird er Wächter eines Waffenhändlers. In den Hügeln außerhalb Beiruts überfällt er nächtens Liebespaare, raubt und vergewaltigt - und verliebt sich in eines seiner Opfer, Shirin. Sie zeigt ihn an. Er wird festgenommen und gefoltert. Man zwingt ihn, sein Leben aufzuschreiben, immer neu, denn nie sind die Folterer zufrieden - selbst wenn er zugibt und ausmalt, was er gar nicht getan hat. So gerät Yalo außer sich. Im Schmerz trennt er sich von seinem Körper und erfindet sich im Geist. Mit jeder neuen Fassung verändert sich die Beschreibung, sie reichert sich an, sie franst aus, verschmutzt, färbt sich, oszilliert, sie nimmt ein Sprach- und Eigenleben an: Yalo - ein libanesisches Leben in Zeiten des Kriegs und Nachkriegs. Elias Khourys sprachmächtiger Roman erzeugt - mitreißend und erkenntnisstiftend zugleich - einen Taumel.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein reines Vergnügen war die Lektüre dieses Romans von Elias Khoury nicht für den Rezensenten Kersten Knipp, denn sie führte ihn zurück in die grauenvolle Zeit des libanesischen Bürgerkriegs, in dem sich fünfzehn Jahre lang, Christen und Muslime, PLO und Falange, Syrer und Israelis so erbittert wie aussichtslos bekämpften. Mittendrin der Junge Yalo, den Khoury zum Kämpfer ohne Grund und ohne Willen werden lässt und der auch nach Ende des Krieges nicht aus seiner Krigerhaut kann. Wie Knipp berichtet, sitzt dieser Yalo nun im Gefängnis und rückt in Verhören und unter Folter nicht raus mit seiner wahren Geschichte, erfindet immer wieder neue Versionen und schreibt sie sich selbst wie auch den anderen schön. Das kann den Leser ganz schön strapazieren, warnt Knipp und erkennt in Yalos Geschichte die Geschichte des Krieges.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Elias Khoury erzählt in seinem faszinierenden Roman davon, was Yalo zu dem gemacht hat, was er ist.« Fokke Joel ZEIT ONLINE 20110614







