Die anhaltende Euro-Krise sowie die halbherzigen, oft populistischen Reaktionen der Politik lassen ein Scheitern des europäischen Projekts derzeit als reale Möglichkeit erscheinen. In seinem Essay verteidigt Jürgen Habermas Europa gegen die sich ausbreitende Skepsis, der er ein neues überzeugendes Narrativ für die Geschichte und vor allem die Zukunft der Europäischen Union entgegensetzt. Denkblockaden in Bezug auf die Transnationalisierung der Demokratie räumt er aus dem Weg, indem er den Einigungsprozess in den langfristigen Zusammenhang der Verrechtlichung und Zivilisierung staatlicher Gewalt einordnet. An die Politik richtet Jürgen Habermas schließlich den Appell, das bisher hinter verschlossenen Türen betriebene europäische Projekt endlich auf den hemdsärmeligen Modus eines lärmend argumentierenden Meinungskampfes in der breiten Öffentlichkeit umzupolen.Neben diesem Essay zur Verfassung Europas enthält dieser Band den Aufsatz »Das Konzept der Menschenwürde und die realistische Utopie der Menschenrechte« aus dem Jahr 2010 sowie drei Interventionen, die Jürgen Habermas seit dem Ausbruch der Finanzkrise veröffentlicht hat.»Angesichts eines politisch ungesteuerten Komplexitätswachstums der Weltgesellschaft, das den Handlungsspielraum der Nationalstaaten systemisch immer weiter einschränkt, ergibt sich die Forderung, die politischen Handlungsfähigkeiten über nationale Grenzen hinaus zu erweitern, aus dem normativen Sinn der Demokratie selbst.« Jürgen Habermas
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Als "Buch der Stunde" feiert Alexander Cammanns Jürgen Habermas' hier versammelten jüngsten Interventionen zum Thema Europa, die auch zu den aktuellsten Debatten einige nützliche Stichwörter zu bieten scheinen. Eines davon ist die Formel "postdemokratischer Exekutivföderalismus", eine von Habermas seit längerem benannte Tendenz der europäischen Institutionen, die sich jetzt in der Bewältigung der akuten Krisen Bahn bricht. Dagegen setzt Habermas den Zustand der "transnationalen Demokratie", den es erst zu erreichen gilt. Bewundernd konstatiert Cammann, dass Habermas hier keineswegs nur an Europa, sondern gleich an die ganze Welt denkt. Auch Kritikpunkte hat Cammenn: Der Vordenker des "Strukturwandels der Öffentlichkeit" hat zum Internet offenbar nichts zu sagen, und auch der Euro spiele in seine Erwägungen kaum eine Rolle. Trotzdem: Cammann liest dieses Buch als das Vermächtnis einer Generation.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»In seinem neuen Buch schweigt Habermas keineswegs vom Kapitalismus und seinen unter Gemeinwohlgesichtspunkten destruktiven Konsequenzen. Er kritisiert ihn. Aber im Zentrum seiner Auseinandersetzung steht etwas anderes: der mangelnde regulative Gestaltungswille und die Restriktionen staatlicher Politik. Deshalb kann der normative Fluchtpunkt nichts anderes sein als die demokratische Selbstbestimmung der Bürger.« Stefan Müller-Doohm Frankfurter Allgemeine Zeitung 20111121
»Wo sich fast alle im kurzatmigen Krisenmanagement verheddern, muss einer die langen Linien der europäischen Politik ziehen. Jürgen Habermas tut es.«







