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Dieses Buch hat eine bestechende Idee: Wenn es seit Duchamp kein äußerer Maßstab, sondern die bloße Entscheidungsgewalt der Künstler ist, wovon abhängt, was Kunst ist und was nicht, dann ist die Persona - das Ego und die soziale Rolle - dieser Gruppe ein wesentlicher Teil des Werks selbst, und die konventionelle Kunstbetrachtung muss dringend durch eine Ethnologie der Künstler ergänzt werden, die deren speziellen Glauben an sich selbst mit dem distanzierten Blick des Feldforschers seziert. Leider hat Sarah Thornton ein solches Buch und eine solche Ethnologie nicht geschrieben.
Stattdessen liefert die Soziologin, nachdem sie laut eigenen Angaben mehrere hunderttausend Flugmeilen auf dem Weg zu hundertdreißig Künstlern zurückgelegt hat (von denen es 33 in die Endauswahl schaffen), Homestorys aus den Ateliers, bei denen sie gewissenhaft das Alter, das Mobiliar und die Garderobe der Besuchten festhält, aber keinerlei Kriterien dafür entwickelt, was dies nun über das Zustandekommen dieser seltsamen Spezies verrät.
Genauso unanalysiert bleiben die zum Teil abgründigen Selbstauskünfte. Was, zum Beispiel, heißt es, wenn Jeff Koons die "Akzeptanz" für den Dreh- und Angelpunkt aller Kunst hält und sagt: "Akzeptanz lässt die Angst verschwinden und macht alles möglich"? Oder wenn Damien Hirst seine Arbeit mit einem Bankraub vergleicht: "Wenn ich den Schuppen neben der Bank kaufe, kann ich einen Tunnel graben, reingehen, den Fußboden aufbrechen, das Geld rausholen und durch den Tunnel wieder abhauen, und kein Mensch würde jemals erfahren, dass ich da drin war. Genau das ist Kunst." Da gäbe es eigentlich Anknüpfungspunkte genug, um das Kunstsystem mit benachbarten Systemen wie Moral, Politik und Verbrechen in Beziehung zu setzen.
Dass die Forscherin diese Möglichkeit nicht nutzt, liegt vielleicht daran, dass sie im Lauf der Beobachtung selbst ein Teil ihres Gegenstands geworden ist. Es kommt vor, dass ein betrunkener Damien Hirst sie nachts aus dem Schlaf klingelt und ihr ein kräftiges "Shellllooo Sharah!" zuruft. So bleiben die Selbstinszenierungen der Abramovic, Ai, Alÿs, Sherman und wie sie alle heißen, unangetastet. Eine kühle Anthropologie jener Praktiken, die als Kunst Autorität erringen, steht noch aus.
Mark Siemons
Sarah Thornton: "33 Künstler in 3 Akten". Aus dem Amerikanischen von Rita Seuß. S. Fischer, 443 Seiten, 24,99 Euro
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