Julian Nebel legt mit seinem Debüt ein gleichermaßen kurzes wie interessantes Sachbuch über Adele Spitzeder vor.
Die erfolglose und verschuldete Schauspielerin gründete 1869 eine Privatbank, mit der sie sich selbst aus ihren finanziellen Nöten retten möchte. Anfangs sieht alles danach aus, als ob
der Plan aufgehen würde: Indem sie zehn Prozent Zinsen sowie die jederzeitige Auflösung der Einlage…mehrJulian Nebel legt mit seinem Debüt ein gleichermaßen kurzes wie interessantes Sachbuch über Adele Spitzeder vor.
Die erfolglose und verschuldete Schauspielerin gründete 1869 eine Privatbank, mit der sie sich selbst aus ihren finanziellen Nöten retten möchte. Anfangs sieht alles danach aus, als ob der Plan aufgehen würde: Indem sie zehn Prozent Zinsen sowie die jederzeitige Auflösung der Einlage verspricht, laufen ihr die Leute bald die Tür ein. Ihr geschicktes Schneeballsystem - wer neue Kunden bringt, erhält eine Provision - sowie die Tatsache, dass die Anleger aus den unteren Gesellschaftsschichten als eine der ihren ansehen, lässt Spitzeder ihren Betrug drei Jahre lang aufrechterhalten.
Doch der Zusammenbruch lässt sich nicht beliebig verzögern, 1872 fliegt der Schwindel auf und mehr als 30.000 Opfer in und um München verlieren ihre - meist hart verdienten - Ersparnisse. Es kommt zu zahlreichen Selbstmorden, Spitzeder wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Nebel versteht es, Idee und Umsetzung des Spitzederschen Kreditsystems gut verständlich zu vermitteln. Fotos, Originalzitate aus Zeitungen und Spitzeders eigenen Memoiren lockern den Text auf. Gegen Ende gibt es einige Längen und Wiederholungen, außerdem vermisse ich Anmerkungen, welche gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Skandal nach sich zog. Gab es so etwas wie Verbraucherschutz, wurden Gesetze verschärft, fanden sich Trittbrettfahrer, die die Idee von Adele Spitzeder nachzuahmen versuchten?
In jedem Fall macht das Buch neugierig, Spitzeders eigene Aufzeichnungen zu studieren.