»Du bist hier, vielleicht aber schon fort. Du bist fort, vielleicht aber noch hier.« |111
Verschwinden ist der Topos dieses stark verschränkten und szenisch überzeugenden Prosa-Debüts der in der Theaterwelt bekannten Autorin, Regisseurin und Mitbegründerin von Rimini Protokoll.
In einem
Zwischenraum berichtet eine Tochter in kurzen kreisenden Sätzen vom Verschwinden ihres Vaters in die Demenz…mehr»Du bist hier, vielleicht aber schon fort. Du bist fort, vielleicht aber noch hier.« |111
Verschwinden ist der Topos dieses stark verschränkten und szenisch überzeugenden Prosa-Debüts der in der Theaterwelt bekannten Autorin, Regisseurin und Mitbegründerin von Rimini Protokoll.
In einem Zwischenraum berichtet eine Tochter in kurzen kreisenden Sätzen vom Verschwinden ihres Vaters in die Demenz und verkoppelt es mit einem anderen unabschließbaren Verlust. Im gleichen Jahr, in dem der Vater sein Wesen zu verlieren beginnt, verschwindet ein Flugzeug samt 239 Personen auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking vom Radar. Wie verschluckt verlässt im Jahr 2014 die MH370 diese Welt. Die letzte gewisse Spur der Funkspruch "𝐴𝑙𝑙 𝑟𝑖𝑔ℎ𝑡. 𝐺𝑜𝑜𝑑 𝑛𝑖𝑔ℎ𝑡" vom Piloten, alles andere ist reine Spekulation, oder müssen die Informationen nur zusammengefügt werden? Die Tochter beginnt zu recherchieren, sammelt die fragmentierten Informationen über das Verschwinden der MH370, lernt über das Meer, die Luftfahrt und landet immer wieder bei den Geschichten und den Reaktionen der Angehörigen, ihrer Trauer, die im Ungewissen bleibt, die sich verabschiedet, aber zu keinem Abschluss finden kann. Die Spuren des Vaters fragmentieren ebenso, vier Postkarten zum Geburtstag mit exakt dem gleiche Text, zerfallende Erinnerung, zerfallende Sprache, intensive Nähe, unüberbrückbare Distanz und eine sich über Jahre erstreckende Verabschiedung, die zu keinem Abschluss finden kann, es ist ein Ambiguous Loss.
»All Right, Good Night« ist von der Sorte Text, die Fragen stellt, die Dimensionen zusammenbringt, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben und damit den Blick auf die Welt weitet. Eindringlich und zurückhaltend führt der Roman zu Fragen des Verschwindens, der Zwischenräume von Loslassen und Festhalten und ohne sie direkt zu erwähnen, zu allgemeinen Fragen der menschlichen Existenz. »All Right, Good Night« ist ein kluges Buch, dem die Nähe zum Theater anzumerken ist, ohne den Eindruck zu erwecken, es fehle dem Text in Schriftform eine weitere Dimension. Die Inszenierung entsteht im Kopf.
Große Empfehlung.