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FRANKFURT Alice Brauner liest bei "Open Books" in der Frankfurter Volksbühne
Der Andrang war groß. Vor der Volksbühne im Großen Hirschgraben standen die Besucher Schlange. Vor allem die Älteren unter ihnen wollten mehr wissen über jenen Produzenten, denen sie die Filme ihrer Jugend verdankten. Alice Brauner, Tochter von Artur Brauner, war aus Berlin gekommen, um im Rahmen der Buchmesse und auf Einladung der F.A.Z. zu einer "Open Books"-Veranstaltung ihr Buch über ihre Eltern vorzustellen. Mit Eva-Maria Magel, leitender Kulturredakteurin der Rhein-Main-Zeitung, sprach sie über das Genie ihres Vaters und das große Herz ihrer Mutter.
Zuvor war sie im Parforce lesend durch beider Leben galoppiert, bis ihr über dem Tod der Eltern die Stimme brach. Unter dem Titel "Also dann in Berlin ..." erschienen bei S. Fischer, hat sie Artur und Maria ein Denkmal aus Liebe und Dankbarkeit gesetzt.
Ohne das Tagebuch des Großvaters Moshe wäre das nicht möglich gewesen. Im Einband des Buches sind denn auch Arturs und Marias Fluchtwege mit ihren jüdischen Eltern verzeichnet. Maria, eigentlich Theresa, überlebte die Schoah mit blond gefärbtem Haar und falscher Identität zwischen Warschau und Lemberg - mit sehr viel Glück, weil ihr Zug nach Auschwitz wegen Überfüllung nach Soest umgeleitet wurde. In Stettin begegnete sie Artur Brauner, der genauso knapp dem Tod entronnen war. Seine Fluchtroute hatte ihn von Lódz über Kiew durch das südliche Russland bis nach Usbekistan und zurück nach Stettin geführt. Dort verliebte er sich 1945 in "Maria", musste sie aber vorerst nach Warschau ziehen lassen und verabschiedete sich mit den Worten: "Also dann in Berlin ...". Dort begann die Legende der CCC-Filmstudios in Haselhorst oder, wie die Berliner munkelten: in "Haselwood".
Denn nach der Hochzeit in einem Lager für Displaced Persons in Heidenheim 1946 wollte Artur Brauner seinen Traum von Hollywood an der Spree in die Tat umsetzen. Sein erster Film "Morituri" fiel 1948 durch. Das Publikum war noch nicht reif für Brauners Filme "gegen das Vergessen". Ihr Vater habe den Begriff "Holocaust" übrigens gehasst, weil dieser ihm zu relativierend erschien, sagte Alice Brauner: "Er sprach immer von Judenvernichtung."
Kreuz und quer sprang sie dann durch das Leben ihrer beider Eltern, bis in Grunewald, erst am Hohenzollerndamm, dann an der Königsallee, wo die Haushälterin einst Cary Grant abwies, weil die Party mit Kirk Douglas schon weitergezogen war. Illustre Namen gehörten zur Kindheit Alice Brauners. Aber als Debra Paget in der dritten Verfilmung von "Der Tiger von Eschnapur/Das Indische Grabmal" 1958 den Schlangentanz aufführte, war sie noch nicht geboren. Das war noch eine Produktion mit dem legendären Regisseur Fritz Lang. Vater Brauner war sparsam, aber von dem Tanz wurde das Zwanzigfache dessen gedreht, was schließlich gezeigt wurde. Dafür ließ er in dem Karl-May-Streifen "Durchs wilde Kurdistan" die Pferde kurzerhand umfärben, weil es zu wenige gab.
Neben solchen Anekdoten kommt die Autorin immer wieder auf die große Liebe ihrer Eltern zueinander zu sprechen. Noch hat sie den Tod ihrer Mutter (2017) und den Tod ihres Vaters (2019), dessen Erbe sie als unabhängige Filmproduzentin weiterführt, nicht verwunden: "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meine Eltern denke. Wie lange darf man trauern?"
CLAUDIA SCHÜLKE
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