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Hannah Mittelstädts "Blu" feiert die Alternativszene
Blu und Fil heißen die Hauptfiguren dieser Geschichte, einer "Lovestory" (so die von Hannah Mittelstädt gewählte Genrebezeichnung) mit realen Vorbildern aus dem Milieu von Kneipen, Hinterhöfen, Wohnküchen und manchmal auch Sälen, in denen der Mythos "Achtundsechzig" als verschwommener Begriff von Freiheit gedieh und so etwas wie Solidarität schuf. Die Geschichte kommt ganz locker daher: Jeder wird vorgestellt, inklusive der zeitweisen Lebensgefährten und Vorlieben. Doch allesamt bleiben die Figuren fast schemenhaft künstlich, selbst die einzige beständige Gefährtin in diesem Reigen: die Ehefrau von Blu, dem Bandleader. Von ihr erfährt man nur, dass sie die "Heilige Maria" genannt wird und die meist leere Kasse verwaltet. Nicht zu verwechseln mit Fil.
Blu und Fil waren sich einmal sehr nahe. Die Anziehungskraft ist erstaunlicherweise geblieben. Auch nach zwanzig Jahren Pause schlüpfen sie beim ersten Wiedersehen ganz selbstverständlich ins nächste Bett, zu schön sind die gemeinsamen Erinnerungen an Jugend und Leidenschaft. Vielleicht auch an die Musik von damals, die besser war als heute: Rock 'n' Roll und dessen schnell wechselnde Nachfolger. Von einer Lovestory ist allerdings bis auf einen Rest Vertrautheit nichts mehr zu spüren. Beider Liebe ist zerfallen, weil sie nur noch aus kurzer, meist einseitiger sexueller Ekstase besteht. Blu hat sie durch Alkohol ersetzt, der zu seinem alltäglichen Suchtproblem geworden ist. Von der großen Freiheit spricht niemand mehr.
Wiedersehen, Trennung und Flucht voreinander - Blu und Fil führen beide ein riskantes Leben. Unterwegs sein ohne Ziel ist jedoch nicht leicht. Blu scheut jede Bindung, Fil versucht zumindest, eine Basis zu finden. Da sie die Kulturszene in Hamburg, Berlin und anderswo kennt, vermittelt sie Blu immer wieder Auftritte, auch solche, die Hoffnungen wecken. Doch das Schweben als Lieblingszustand, niemals sich festzulegen - es wird schwieriger, wenn man in die Jahre kommt.
Hanna Mittelstädt, 1951 geboren, hat sich einen Namen als Verlegerin, Übersetzerin und Organisatorin von literarischen, auch szenischen Lesungen gemacht. Sie hat eine Vorliebe für Alternatives und ist in der feministischen Literatur zu Hause. Mit "Blu" versucht sie nun etwas Neues für sich und vielleicht auch für manchen Leser. Sie nennt es Lovestory, doch es ist eher die traurige Geschichte einer Illusion, einer verlorenen Liebe. MARIA FRISÉ.
Hanna Mittelstädt: "Blu". Lovestory. Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2021. 120 S., br., 12,- Euro.
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