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Michael Stavaric bringt den Leser auf die Palme
Ein Mann zwischen zwei Frauen: Die eine will er haben, kann er aber nicht, die andere kann er haben, will er aber nicht. Kopflos gerät er in eine Gemengelage, die, man vermutet es vom ersten Satz an, ihren Preis fordern wird: "Wenn ich bei der Wahrheit geblieben wäre . . ." Statt dabei zu bleiben, verheddert sich der Ich-Erzähler des neuen Romans von Michael Stavaric weniger in der moralisch abgründigen Dreiecksbeziehung als vielmehr in den stilistisch leider oft misslungenen Sprachspielen und den mitunter mühsamen Verwirrspielen im Plot.
Der Klappentext lobt die "bühnenartige Szenenfolge" des mit "originellen und wuchtigen Bildern" bedachten Geschlechterkriegs. Die Eignung als Bühnenstück, sollte man meinen, ist für einen Roman noch kein Kriterium, auch wenn immer mehr Epik dramatisiert wird. Schlimmer aber sind die Bilder, die eben nicht originell und wuchtig, sondern gewollt und überladen wirken.
Metaphorisch für den Helden steht offenbar das Leitmotiv des Palmdiebs, eines scheuen Krebstiers, das nachts mit seinen starken Scheren Kokosnüsse aufbricht und in manchen Regionen nicht zuletzt aufgrund seiner angeblich aphrodisierenden Wirkung verzehrt wird. Der Palmdieb als Frauenaufbrecher? Das wäre noch zu ertragen, gäbe es da nicht diese Plastikpalme, die ihre Farbe beständig wechselt und unter der der Erzähler wie unter Wiederholungszwang äußert, die von ihm begehrte Frau trage ihr Herz links, "wo es hingehört", und er "trage es viel zu weit oben, zu nahe am Kopf".
Dieser offenbar kopflastige, hauptamtlich unentschlossene Schwerenöter schwankt also zwischen zwei namenlosen Frauen, zwischen der verheirateten jungen Mutter, die ihren Mann, Robert, aber nicht verlassen will, und "der anderen", der Lebensbejahenden, die er sofort haben könnte - eine nicht uninteressante ménage à trois oder sogar quatre. Aber in diesem anonymen Theater ist der sprunghaften Handlung schwer zu folgen. Und warum ausgerechnet der betrogene Ehemann einzig beim Namen (Robert) genannt wird, bleibt bis zuletzt unklar. Klar wird lediglich, dass dieses amouröse Versteckspiel nicht lange durchgehalten werden kann. Den Schlachtplan entwerfen, unabhängig voneinander, die beiden Frauen. Es kommt zum Krieg der Geschlechter, bei dem gemetzelt und gemordet wird, mittendrin im Geschehen der zum Töten aufgestachelte Erzähler. Dass er in diesem Kampf nicht gewinnen kann, dämmert ihm - und dem Leser - nach seitenlangen, surreal anmutenden Kriegsszenen, als er, über das Schlachtfeld taumelnd, immer nur nach seinem Widersacher Robert sucht: "Ob sich Robert gar in mir verbarg?"
Also alles nur Kopfkino? "Böse Spiele", so merkt man schließlich, treibt hier nur einer, nämlich der Autor mit seinen Figuren und seinen Lesern. Zur Konturlosigkeit des Personals mag es passen, dass nahezu alles in indirekter Rede steht, die denn auch eine gewisse Sogwirkung entfaltet. Das aber hat man, in Verbindung mit einem überzeugenden Plot und mit psychologischer Tiefenschärfe erfassten Figuren, anderswo schon besser gelesen, etwa bei Andreas Maier. Stavarics Spiele sind dagegen zum Verzweifeln überambitioniert.
FRIEDERIKE REENTS
Michael Stavaric: "Böse Spiele". Roman. C. H. Beck Verlag, München 2009. 155 S., geb., 16,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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