Der Anlass für Cees Nootebooms „Briefe an Poseidon“ ist eine banale Papierserviette, die der niederländische Schriftsteller im Februar in einem Restaurant am Münchner Viktualienmarkt bekam. Angesichts des abgebildeten Meeresgottes mit dem Dreizack reifte der Entschluss, ihm Briefe zu
schreiben.
Also verlässt der Autor den deutschen Winter und taucht quasi in den Sommer am Mittelmeer ein. Dabei…mehrDer Anlass für Cees Nootebooms „Briefe an Poseidon“ ist eine banale Papierserviette, die der niederländische Schriftsteller im Februar in einem Restaurant am Münchner Viktualienmarkt bekam. Angesichts des abgebildeten Meeresgottes mit dem Dreizack reifte der Entschluss, ihm Briefe zu schreiben.
Also verlässt der Autor den deutschen Winter und taucht quasi in den Sommer am Mittelmeer ein. Dabei hat er noch nie an einen Gott geschrieben. Aber er muss einfach anfangen. Und so folgen 23 Briefe an Poseidon. Darin erzählt Nooteboom von seinen täglichen Beobachtungen, vermischt mit philosophischen Gedanken, die ihn bei seinen Betrachtungen beschäftigen. Er reflektiert immer wieder über Götter und Gott, und beleuchtet die alten Mythen und Sagen mit einem neuen Blick. „Auf meinen Reisen bin ich zahllosen Formen des Göttlichen begegnet, den Göttern der Maya, der Azteken, der Dogon, der Hindus.“
Dabei betreibt er seine Studien nur selten an göttlichen Lokalitäten, vielmehr an modernen Einrichtungen wie Flughäfen oder U-Bahn-Stationen. Selbst auf Werbetafeln oder Ansichtskarten entdeckt Nooteboom das Göttliche. Neben den Göttern bevölkern auch Gestalten der Weltgeschichte und der Neuzeit diese Briefe wie Dante, Hölderlin, Beckett oder Brigitte Bardot. Es ist jedoch ein eingleisiger Briefverkehr, denn Antworten des Meeresgottes gibt es nicht, obwohl er ihn immer wieder auffordert, zu den Problemen unserer Zeit Stellung zu nehmen.
Neben den 23 Briefen komplettieren weitere über fünfzig kurze Prosatexte, in denen Nooteboom ebenfalls über Fragen der menschlichen Existenz meditiert. Mit einer sachlichen, aber durchaus poetischen Sprache versteht es Nooteboom, diese Grundfragen hinter den kleinen Alltagsdingen aufzuspüren. So fügt sich sein „Briefwechsel“ wunderbar in seine bisherige vielfältige Reiseliteratur ein.