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Über die Zeit von 1933 bis 1945 sagte Alexander Gauland einmal: "Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr." Wenn Briten stolz auf den Kriegspremier Winston Churchill seien, hätten "wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Es ist der Versuch, ein zentrales Element der Erinnerungskultur der Bundesrepublik zu kassieren. Gerald Wagner reagiert auf die Worte des AfD-Politikers mit intuitiver Abwehr. Empörung empfinde er keine, wohl aber sei er befremdet. Sein Verzicht auf einen reflexhaften moralischen Furor erlaubt es ihm, Gaulands Forderung nüchtern unter die Lupe zu nehmen.
Der Gewährsmann dieses Unternehmens ist Wagners Vater Alfred. Dessen Beitrag zum Zweiten Weltkrieg "war gleich null". Er habe sich nicht als Held hervorgetan, sondern viel Glück gehabt. Trotzdem sei er ein "einfacher Täter" gewesen, einer von "Millionen, ein im historischen Rahmen absoluter Niemand". Mit solchen dialektischen Schleifen nähert sich der Autor sowohl seinem Vater, der nach 1945 keine Fragen stellte und nie durch ausgestellten Stolz aufgefallen war, als auch den wesentlichen Fragen deutscher Gedenkkultur. An Positionen von Hannah Arendt und Helmut Schelsky arbeitet er sich dabei genauso ab wie an Alexander und Margarete Mitscherlichs Buch "Die Unfähigkeit zu trauern" von 1967. Der Gewinn der Reflexion liegt in ihrer Unvoreingenommenheit. Wagner entwickelt seine Meinung beim Nachdenken, er bringt sie nicht schon mit. Am Ende betrachtet er Gaulands Appell als populistischen Affront: "Dass man auf etwas anderes wieder stolz sein möchte als auf unsere Erinnerungskultur, das ist schwer erträglich."
span
Gerald Wagner: "Dabeigewesen". Ein Versuch über den Stolz.
Konstanz University Press, Konstanz 2020.
146 S., Abb., geb., 18,- [Euro].
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