In Franz Hohlers neuen Erzählungen werden wir zu Zeugen von alltäglichen Ereignissen: schrecklichen, schönen, berührenden, aberwitzigen ... Ein Mann kommt ausgerechnet in dem Augenblick ins Stolpern, in dem ihm auf der Straße eine junge, attraktive Frau begegnet. Ein anderer möchte am liebsten zu randalieren beginnen, wenn jemand in seiner Nähe laut mit dem Handy telefoniert, und zwei Jungen wollen den Weiher hinter ihrem Haus mit einer alten Ovomaltinebüchse leer schaufeln - doch wie die anderen Figuren in Hohlers Erzählungen müssen auch sie lernen, dass sich die Welt den Träumen und Plänen des Menschen nur allzu häufig widersetzt.
In mancher Geschichte begegnen wir auch dem Autor selbst oder ihm nahe stehenden Menschen. So erzählt eine besonders berührende Geschichte von dem Bild seiner Schwiegermutter, das im Vorraum zu Hohlers Wohnung hängt. Hier stellt der Erzähler regelmäßig Blumen auf, und genauso regelmäßig fragt er sich, was eigentlich gewesen wäre, wenn diese Frau einen anderen Mann geheiratet hätte? Hätte dann sein Leben nicht einen ganz anderen, womöglich unglücklicheren Verlauf genommen?
Franz Hohler hat ein überaus hintersinniges Buch darüber geschrieben, dass oft schon kleine Ereignisse genügen, um ein Leben ganz grundsätzlich aus der Bahn zu werfen und uns mit manchmal überraschenden Wahrheiten zu konfrontieren.
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Ein ganz normaler Tag - was ist das schon? Einer, an dem Peter von Matt seine letzte Vorlesung in einem übervollen Saal der Zürcher Universität über E.T.A. Hoffmann hält? Einer, an dem ein Kind versucht, einen Teich mit Hilfe einer Büchse leer zu schöpfen, und ganz entrüstet ist, als das Wasser nicht weniger wird? Oder einer, an dem ein älterer Herr den Taxifahrer bittet, ihn zur Universität zu fahren, und dieser nur antwortet: "Uni-Spital"? Franz Hohler, Jahrgang 1943, ist der Besucher der Vorlesung. Er ist das Kind und der ergraute Mann. Seine Erzählungen sind aufgefächert wie ein unsortiertes Tagebuch, angereichert mit Erinnerungen, Aperçus und Anekdoten. "Das Ende eines ganz normalen Tages" erzählt das Gegenteil von dem, was es verspricht: nicht von Alltagsroutinen, sondern vom Unerwarteten. Nicht vom immer wiederkehrenden Trott, sondern von dem, woran sich ein Mensch erinnert. Ausschlaggebend ist nicht das Ereignis selbst, sondern der Blick, mit dem wir es betrachten. Wie sonst sollte man des verzweifelten Gesichtsausdrucks des alten Homosexuellen am Hauptbahnhof gewahr werden, dessen Leben sich dem Ende zuneigt und dessen Wünsche nicht mehr zu stillen sind? (Franz Hohler: "Das Ende eines ganz normalen Tages". Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 112 S., geb., 17,95 [Euro].) kito
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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