Beim Stöbern im Buchladen wäre mir „Das Geschenk“ von Gaea Schoeters wahrscheinlich nicht weiter aufgefallen. Zu schmal, zu unscheinbar zwischen all den dicken Romanen, die sich nach stundenlanger Lektüre anfühlen. Was dann auf den ersten Blick wie eine schräge Satire klingt, entpuppt sich als
kluges, bissiges, überraschend bewegendes Gedankenspiel über politische Verantwortung, moralische…mehrBeim Stöbern im Buchladen wäre mir „Das Geschenk“ von Gaea Schoeters wahrscheinlich nicht weiter aufgefallen. Zu schmal, zu unscheinbar zwischen all den dicken Romanen, die sich nach stundenlanger Lektüre anfühlen. Was dann auf den ersten Blick wie eine schräge Satire klingt, entpuppt sich als kluges, bissiges, überraschend bewegendes Gedankenspiel über politische Verantwortung, moralische Doppelmoral und die Grenzen unseres gesellschaftlichen Verständnisses von Integration, Umwelt und Macht.
Plötzlich sind 20.000 Elefanten in Berlin, sie sind einfach da. Keine langen Diskussionen, keine Planungsprozesse, sie tauchen auf und mit ihnen ein Problem, das sich nicht mehr ignorieren lässt. Die Regierung unter Kanzler Hans Christian Winkler ist überfordert, genauso wie die Bevölkerung. Es ist ein Geschenk, das man nicht ablehnen kann, aber auch keines, mit dem man weiß, was man anfangen soll. Und genau da beginnt die Geschichte, ihre ganze Kraft zu entfalten. Denn Schoeters nutzt dieses absurde Szenario nicht für billigen Klamauk, sondern als präzise Spiegelung unserer politischen Realität. Wie handeln wir, wenn uns ein Problem trifft, das wir sonst gerne nach außen verlagern? Was passiert, wenn wir gezwungen sind, mit dem „Fremden“ zu leben?
Ich war überrascht, wie schnell ich tief in diese Geschichte hineingezogen wurde. Die Elefanten, so seltsam sie im Kontext wirken, sind dabei keine alberne Metapher, sondern echte Figuren mit Gewicht. Wie sie durch Städte stapfen, nach Nahrung suchen, Wasser trinken, unbeirrt ihren Raum einnehmen, als wären sie schon immer da gewesen. Und plötzlich ist da die Frage, wer sich eigentlich wem anpasst.
Was ich an Schoeters' Stil besonders mochte, war ihre Mischung aus Schärfe und Leichtigkeit. Sie übertreibt nie, sie kommentiert mit einem trockenen, fast beiläufigen Humor, der oft erst im Nachhall trifft. Gleichzeitig steckt in jeder Szene eine messerscharfe Beobachtung unserer politischen Wirklichkeit. Die Diskussionen über Artenschutz, über Flüchtlingspolitik, über Verantwortung und Bevormundung anderer Staaten werden hier nicht theoretisch abgehandelt, sondern durchgespielt. Und das so nah an der Realität, dass es manchmal fast weh tut.
Der Satz „Elefanten sind keine Flüchtlinge“ bleibt hängen. Weil er so klar benennt, was dieses Buch tut. Es schiebt vorsichtig, aber bestimmt unsere moralischen Selbstverständlichkeiten beiseite. Zeigt, wie schnell ein System ins Wanken gerät, wenn es seine Prinzipien nicht lebt, sondern nur verwaltet. Und ganz nebenbei erzählt es von Propaganda, Populismus, von Macht um der Macht willen, von der Schwierigkeit, richtige Entscheidungen zu treffen, wenn alles falsch erscheint.
Ich habe beim Lesen gelacht, gestaunt, mit dem Kopf geschüttelt. Und mich gefragt, warum nicht viel mehr Geschichten genau diesen Ton treffen, diesen schmalen Grat zwischen Unterhaltung und Ernst, zwischen Satire und Reflexion. Gaea Schoeters hat mit „Das Geschenk“ ein Buch geschrieben, das man kaum aus der Hand legen kann, weil es wirklich klug und überraschend menschlich ist.