Julia Kröhns jüngster Roman „Das Lied der Rose“ entführt seine Leserinnen und Leser auf eindrucksvolle Weise in das späte 11. und frühe 12. Jahrhundert – eine Zeit voller Umbrüche, religiöser Spannungen und kultureller Vielfalt. Mit großer erzählerischer Kraft erschafft die Autorin eine
farbenprächtige, lebendige Welt, die durch ihren Detailreichtum und ihre atmosphärische Dichte besticht.
Im…mehrJulia Kröhns jüngster Roman „Das Lied der Rose“ entführt seine Leserinnen und Leser auf eindrucksvolle Weise in das späte 11. und frühe 12. Jahrhundert – eine Zeit voller Umbrüche, religiöser Spannungen und kultureller Vielfalt. Mit großer erzählerischer Kraft erschafft die Autorin eine farbenprächtige, lebendige Welt, die durch ihren Detailreichtum und ihre atmosphärische Dichte besticht.
Im Zentrum der Handlung steht der junge Novize Marian, ein tiefgläubiger Mönch, dessen Herz bis dato allein für die geistliche Musik schlägt. Sie ist für ihn Ausdruck göttlicher Harmonie und Sinnstiftung zugleich. Als Marian jedoch einen jüdischen Medicus vor der Zwangstaufe bewahrt, stellt er sich gegen die Regeln seiner Welt – mit schwerwiegenden Konsequenzen. Um Buße zu tun muss er sich auf eine abenteuerliche Pilgerreise begeben, deren Verlauf er sich zuvor kaum hätte ausmalen können. Dabei muss er sich ebenso mit sich selbst und seinem Glauben in die Musik auseinandersetzen, die ihm bislang so viel Halt gegeben hat. Er kommt auf seiner Reise nicht nur in Kontakt mit mächtigen Persönlichkeiten, sondern auch mit fremden Kulturen und neuen Menschen. Unter ihnen befindet sich Sahar, eine begabte Sängerin aus einer ihm vollkommen fremden Welt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte, aber zutiefst emotionale Liebesbeziehung, die jedoch immer wieder von äußeren Umständen, kulturellen Schranken und menschlichen Intrigen überschattet wird. Die gemeinsamen Momente, die ihnen vergönnt sind, sind umso kostbarer – und umso schmerzhafter ist es, wenn sie voneinander getrennt werden.
Neben der Geschichte von Marian und Sahar verwebt Kröhn weitere Handlungsstränge: Herzogin Philippa und ihr Ehemann Guillaume stellen ein Herrscherpaar dar, das gegensätzlicher wohl kaum sein könnte. Philippa giert nach Macht, Einfluss und versucht dies mit ihrer oft sehr gefühllosen und kalten Art zu erreichen, wobei sie keine Rücksicht auf Verluste nimmt. Sie möchte selbst über ihr Leben und ihr Schicksal entscheiden, unabhängig von einem Mann und seinem Wohlwollen. Guillaume hingegen kämpft mit Philippas kaltem Wesen, sucht sich Mätressen und nimmt sogar mehrfache Kirchenbannung auf sich. Einzig und allein das Streben nach Einfluss und Macht kann die beiden zuweilen einen. Guillaume hadert mit seinem Beinamen „le petit“, möchte seine Stärke militärisch unter Beweis stellen und scheitert mehrfach daran. Er entwickelt sich weg von Philippa und widmet sich stattdessen auf seine Weise der Dichtkunst und Musik, in welcher er vollkommen aufgehen kann. Auch Sahars und Marians Schicksal ist immer wieder eng mit dem, der beiden Herrschenden verbunden, wird teilweise regelrecht davon bestimmt.
Mir persönlich hat das Buch gut gefallen, insbesondere der Schreibstil von Julia Kröhn hat mich begeistert. Sie versteht es meisterhaft, mit sprachlicher Eleganz und erzählerischem Feingefühl eine vergangene Epoche lebendig werden zu lassen. Ihre bildhaften Beschreibungen – vor allem der Musik, des mittelalterlichen Alltags und der Machtstrukturen – ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk und sorgen für einen angenehm flüssigen Lesefluss. Die Charaktere wirken glaubwürdig und vielschichtig, sodass man insbesondere mit Marian und Sahar mitfühlt und mitfiebert.
Ein kleiner Wermutstropfen für mich war allerdings die Vielzahl an Figuren und Handlungssträngen. An einigen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass der Fokus stärker auf Marian und Sahar liegt, dass ihre Beziehung mehr Raum erhält und die Geschichte sich noch intensiver um die emotionale Entwicklung der beiden dreht. Durch die vielen Wechsel und zusätzlichen Handlungsstränge wirkte der Roman stellenweise etwas überfüllt und in Teilen auch leicht überstürzt, sodass es mir mitunter schwerfiel, mich vollständig auf das Geschehen einzulassen oder mich emotional tiefer in einzelne Entwicklungen hineinzuversetzen. Das ist aber natürlich immer eine Geschmackssache, andere mögen vielleicht ganz genau das besonders an diesem Buch.
Nichtsdestotrotz ist „Das Lied der Rose“ ein vielschichtiger, feinfühlig erzählter historischer Roman, der durch Tiefe, historische Authentizität und emotionale Intensität besticht. Julia Kröhn gelingt es eindrucksvoll, Musik, Liebe, Glaube und Macht zu einem fesselnden literarischen Gesamtwerk zu verweben.