Fünf mal fünf Punkte für dieses Buch des indischen Geschichtsphilosophen Pankaj Mishra. Ich empfehle die Lektüren allen, die den hehren Wunsch in sich verspüren, die heutige Welt politisch verstehen zu wollen. Für Mishra ist die Geschichte nicht die der Kriege und Feldschlachten, sondern die
Geschichte der geistigen Auseinandersetzung mit den bedeutenden politischen Theorien, die sie angetrieben…mehrFünf mal fünf Punkte für dieses Buch des indischen Geschichtsphilosophen Pankaj Mishra. Ich empfehle die Lektüren allen, die den hehren Wunsch in sich verspüren, die heutige Welt politisch verstehen zu wollen. Für Mishra ist die Geschichte nicht die der Kriege und Feldschlachten, sondern die Geschichte der geistigen Auseinandersetzung mit den bedeutenden politischen Theorien, die sie angetrieben hat. Er ist ein Bewunderer Tocquevilles. Er besitzt dabei eine Sicht, die uns als Europäer versperrt ist. Er fliegt wie mit einer Drohne über Zeit und Raum der Geschichte ohne Partei zu ergreifen und Vorlieben zu frönen.
Der Zorn, den er im Titel erwähnt, ist der Zorn der Akteure der Geschichte und Ihrer Vordenker auf die gesellschaftlichen Kräfte, die ihnen in ihren hehren Theorien nicht folgen. Unklar bleibt, ob sich deren Zorn auf die gesellschaftlichen Kräfte selbst oder doch nur auf ihre eigne Unkenntnis des Charakters dieser Kräfte bezieht. Mishra schreibt packend in klaren Worten ohne akademischen Firlefanz aber mit sehr vielen Personennamen von Akteuren und ihren geistigen Wegbereitern, in schnellem Wechseln in Zeit und Ort um die Allgemeingültigkeit seiner Aussagen zu unterstreichen.
Den Kern seines Buches sehe ich in der Aussage, dass alle Ideologien und Religionen im verdeckten Kern übereinstimmen und zwar in der Verehrung eines Übermenschen a la Nietzsche, der die Welt erretten wird. Natürlich ist das am Ende geistiger Nihilismus, wenn jede Ideologie oder Religion doch wieder auf dasselbe hinausläuft. Es taucht im Buch immer wieder der Begriff Fin de Siecle auf. wobei er damit das Ende des 19. und nicht des 20. Jahrhundert meint. Die Gegenwart endet bei ihm zumindest in der ideologischen Entwicklung eben da. Danach treten nur noch Akteure aber keine wirklich neuen Ideologien mehr auf. Der letzte Ausweg, der sich für Mishras Übermenschen ergibt, ist der Anarchismus, oder wie wir sagen, der Terrorismus, der heute die ewige Wiederkehr der Gleichen darstellt.
Im Epilog geht Mishra noch auf den letzten Menschen ein, der ist aber nicht wie bei Nietzsche der verweichlichte, luxusverwöhnte Mensch, sondern der arme, überflüssige Mensch aus den Entwicklungsländern, der ebenfalls keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht. Er geißelt die modernen Medien als inhaltslos.
Beim Zuschlagen des Buches nach der letzten Seite war mein Gefühl in Anlehnung an Gryphius: Es ist alles eitel, auch Ideologien und Religionen. Hilft uns das nun wirklich weiter? Oder ist es nicht doch besser an eine Erlösung, die eigene Überlegenheit, man sei Teil einer großen Bewegung, man könne die Welt retten oder so etwas zu glauben anstatt in Depression zu verfallen. Ich möchte sarkastisch dem Leser unter Anwendung der Methode von Pankaj Mishra der vergleichenden Politikwissenschaft doch noch ein Happyend anbieten. Die edlen Ritter des Mittelalters, waren die Wiedergänger der antiken Trojaner und Spartaner. Der Übermensch von Nietzsche ist der Wiedergänger der edlen Ritter. Die letzten Ritter war den Historikern zufolge Kaiser Maximilian I. und Franz von Sickingen, ich ziehe die Romanfigur des Don Quijote von Cervantes vor. Der letzte Übermensch ist literarisch noch nicht geboren. Ich hoffe er wird so lustig wie Don Quijote. Die Antike endete im 6. Jh., das Mittelalter im 15. Jh., die sogenannte Neuzeit eben jetzt. Jetzt beginnt etwas neues, von dem wir noch nicht wissen was. Das letzte Kapitel dieses Buches ist also noch nicht geschrieben.