Bewusstseinsrevolution
Thomas Metzinger, weltweit anerkannter Philosoph des Geistes, vertritt die These, dass das erlebte Ich von unserem Gehirn erzeugt wird, und dass das, was wir wahrnehmen, nur ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität ist.
Führen die Erkenntnisse der modernen
Hirnforschung nach den Lehren von Kopernikus (Die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Universums), Darwin…mehrBewusstseinsrevolution
Thomas Metzinger, weltweit anerkannter Philosoph des Geistes, vertritt die These, dass das erlebte Ich von unserem Gehirn erzeugt wird, und dass das, was wir wahrnehmen, nur ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität ist.
Führen die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung nach den Lehren von Kopernikus (Die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Universums), Darwin (Der Mensch entstammt dem Tierreich) und Freud (Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus) zu einer weiteren Kränkung der Menschheit?
Nach Metzinger besitzt der Mensch ein bewusstes Modell seines Organismus als Ganzem, ein so genanntes phänomenales Selbstmodell. Dieses wird vom Gehirn aktiviert und erlaubt einem biologischen Organismus, sich selbst bewusst als Ganzheit zu begreifen. Der Inhalt des phänomenalen Selbstmodells ist das Ego.
Für das bewusste Erleben verwendet Metzinger den Begriff Ego-Tunnel. Unser bewusstes Leben bewegt sich im Ego-Tunnel. Das Konzept des Ego-Tunnels basiert auf dem älteren Begriff des Realitätstunnels von Robert Anton Wilson, ist mit diesem aber nicht identisch.
Für Metzinger ist der kontinuierlich ablaufende Vorgang des bewussten Erlebens ein Tunnel durch die Wirklichkeit.
Unser Gehirn erzeugt eine Simulation der Welt, die so perfekt ist, dass wir sie nicht als Bild in unserem Gehirn erkennen können. Anschließend generiert es ein inneres Bild von uns selbst als einer Ganzheit, das phänomenale Selbstmodell. Dieses Bild umfasst nicht nur unseren Körper und unsere mentalen Zustände, sondern auch unsere Beziehung zu Vergangenheit und Zukunft sowie zu anderen Menschen. Durch die Einbettung des Selbstmodells in das Weltmodell wird ein Zentrum geschaffen, das Selbst oder Ego.
Letztlich ist subjektives Erleben, eine spezifische Weise der Präsentation von Informationen über die Welt. Das deutliche und stabile Erleben, nicht in einem Tunnel zu sein, sondern tatsächlich und unmittelbar in Verbindung mit der äußeren Wirklichkeit zu stehen, ist eines der bemerkenswertesten Charakteristika des menschlichen Bewusstseins.
Metzinger arbeitet intensiv mit empirisch arbeitenden Wissenschaftlern zusammen. Seine dargestellten Experimente sind sehr anschaulich und überzeugen. Er entmystifiziert außerkörperliche Erfahrungen, beschäftigt sich mit luziden Träumen und erläutert die Bedeutung der Spiegelneuronen für die kulturelle Entwicklung der Menschheit.
Ob künstliche Ego-Maschinen jemals realisiert werden, mag dahin gestellt bleiben. Metzinger behandelt dieses Thema im Hinblick auf die damit verbundenen ethischen Fragen. Auflockernd wirkt in diesem Zusammenhang die fiktive Unterhaltung mit dem ersten postbiotischen Philosophen.
In sein Buch lässt Metzinger Interviews mit Wolf Singer (Prof. für Neurophysiologie), Allan Hobson (Prof. für Psychiatrie) und Vittorio Gallese (Prof. für Humanphysiologie) einfließen. Neben fachspezifischen Fragen ist es ihm ein Anliegen, sie zu ihren Erwartungen an die Geisteswissenschaften zu befragen.
Das Subjektive wird immer mehr Gegenstand empirischer Wissenschaften. Thomas Metzinger hat zu diesem Thema ein anschauliches und lesenswertes Buch geschrieben. Man darf gespannt sein auf die weitere Entwicklung.