Rezension: "Der Geschmack der Freiheit" von Ute Cohen
Dr. Ute Cohen präsentiert in ihrem 2024 erschienenen Werk (Reclam Verlag, 272 Seiten) eine ebenso sinnlich wie intellektuell bereichernde Kulturgeschichte des Essens – von der Französischen Revolution bis zur heutigen Molekularküche. Sie
verwebt kulinarische Anekdoten, philosophische Reflexionen und biografisches Erzählen zu einem…mehrRezension: "Der Geschmack der Freiheit" von Ute Cohen
Dr. Ute Cohen präsentiert in ihrem 2024 erschienenen Werk (Reclam Verlag, 272 Seiten) eine ebenso sinnlich wie intellektuell bereichernde Kulturgeschichte des Essens – von der Französischen Revolution bis zur heutigen Molekularküche. Sie verwebt kulinarische Anekdoten, philosophische Reflexionen und biografisches Erzählen zu einem „geistesgeschichtlichen Menü“ voller Geschmack und Bedeutung. Die Autorin wurde vor kurzem von mir für ein Podcast („The Entrepreneurial Adventurer“) interviewt. Thema war dieses Buch wie auch ihre neue Publikation „Glamour“.
Hauptgedanken & inhaltlicher Reichtum:
1. Freiheit geht durch den Magen
Cohen beginnt ihre kulinarische Reise im Paris der Revolution: Die Geburt der Restaurants war mehr als gastronomische Innovation – sie war ein Ausdruck politischer und sozialer Befreiung. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurden nicht nur gedacht, sondern geschmeckt. So wurde Esskultur zum kollektiven Erlebnis – und zum Symbol gesellschaftlicher Emanzipation.
2. Kulinarik als Spiegel der Gesellschaft
Mit historischer Breite schildert Cohen, wie sich Geschmack über Klassen- und Ländergrenzen hinweg wandelte. Vom aristokratischen Überfluss des Ancien Régime bis zur regionalen Bürgerküche – die Entwicklung der Gastronomie spiegelt gesellschaftliche, ästhetische und politische Veränderungen wider.
3. Esskultur trifft Geistesgeschichte
Sie nimmt Anleihen bei Philosophen wie Ernst Bloch oder Ludwig Feuerbach und verbindet diese mit Küchenliteratur, Filmgeschichte und internationalen Anekdoten – etwa über Marie-Antoinette, Prousts Madeleines oder Escoffiers Kreationen. Der Genuss wird zum Vehikel für Philosophie und Utopie. Interdisziplinarität pur wie es sich gehört.
Stil & Wirkung:
• Sprache und Ton: Cohens Stil ist luftig, klar und elegant – eine Mischung aus Essay, Anekdote und Miniaturschilderung. Der Text lädt dazu ein, ihn appetitlich häppchenweise zu lesen.
• Verankert mit erhellenden Zitaten: Die Frankfurter Allgemeine beschrieb es treffend: „Zum Preis eines Hauptgerichts erwirbt man ein abendfüllendes Tischgespräch“ – eine eloquente Eloge auf den Gesprächsgeist à la Kant.
Stärken & Kritik:
Einige der Stärken sind sicher die Vielfalt an Anekdoten: Proust, Escoffier, Tantris, Gangster-Gourmets und weitere interessante Geschichten. Alles amüsant wie lehrreich. Zudem ist es interdisziplinär – ein gelungener Mix aus Philosophie, Kulturgeschichte, Linguistik wie Gastronomie. Hand in Hand wird uns sprichwörtlich eine Delikatesse serviert. Genuss und Freiheit werden auf mehreren Ebenen kritisch reflektiert – ein sinnlich-politisches Ambulatorium. Der Fokus ist stark auf Frankreich ausgerichtet – man merkt die Frankophilie der Autorin – leider werden andere Traditionen oder Perspektiven nicht genügend in Betracht gezogen bzw. der Fokus nicht raufgelegt.
Fazit und einige Schlussbetrachtungen:
„Der Geschmack der Freiheit“ ist mehr als eine kulinarische Chronik – es ist ein philosophisches Abenteuer durch Geschichte, Geschmack und Gesellschaft.
Ute Cohens Buch ist gleichermaßen intellektuell stimulierend wie essenzvoll genussreich. Es setzt einen Impuls, Essen nicht isoliert, sondern als sozialen, kulturellen und politischen Akt zu begreifen. Ein wichtiger Punkt in diesen Zeiten. Wer Genuss, Geschichte, Sinn und Freiheit zugleich verstehen möchte, findet in diesem Buch eine kultivierte Einladung zum Miteinanderdenken.
Ein empfehlenswerter Titel für Feinschmecker, Kulturinteressierte und alle, die sich fragen: Was macht uns frei – und wie schmeckt diese Freiheit? Auf jeden Fall bitte probieren und einfach geniessen:)