Faszinierendes Leseerlebnis
Die Brüder Iason und Vincent Fournier wachsen in den 60er und 70er Jahren im fiktiven Brüsseler Vorort Envie als Söhne viel beschäftigter Eltern auf. Während Vincent, der jüngere, leichtfüßig seinen Weg einschlägt, bringt sich Iason durch seine unbeherrschbare
Impulsivität schon früh in Schwierigkeiten. Sein aufsässiges, unangepasstes Wesen fordert pädagogische,…mehrFaszinierendes Leseerlebnis
Die Brüder Iason und Vincent Fournier wachsen in den 60er und 70er Jahren im fiktiven Brüsseler Vorort Envie als Söhne viel beschäftigter Eltern auf. Während Vincent, der jüngere, leichtfüßig seinen Weg einschlägt, bringt sich Iason durch seine unbeherrschbare Impulsivität schon früh in Schwierigkeiten. Sein aufsässiges, unangepasstes Wesen fordert pädagogische, psychiatrische, medizinische und gesellschaftliche Kompetenzen seiner Zeit heraus.
Dass das Verfolgen seines Werdegang so überaus interessant ist, liegt vor allem an der Besonderheit des Schreibstils.
Matthias Wittekindt beschreibt sachlich, detailgetreu und scheinbar unbeteiligt Szenen, als ließe er ein Spotlight darüber gleiten. Lediglich die leise Ironie vermittelt einen Hauch von Beurteilung. Zwischen kurzen, scheinbar simplen Sätzen versteckt er tiefe Bedeutungen. Immer wieder gibt es Andeutungen, die in die Zukunft weisen, eine dunkle Bedrohung beschwören und Dinge vermuten lassen, die, wenn sie dann eintreffen, doch wieder ganz anders sind als erwartet.
So schafft er ein Spannungsfeld, in dem sich die Personen bewegen und in das sie die Leser mit hineinziehen.
Unschön und willkürlich erscheint der Klappentext, der ungewöhnlich weit in die Geschichte vorgreift. Da geht es offenbar darum, etwas Reißerisches zu offerieren, um Käufer zu ködern. Schade, denn genau hier liegt die Stärke des Buches nicht. Leser, die sich aufgrund dieser Informationen zum Erwerb entschieden haben, werden vermutlich enttäuscht sein.
Wie auch diejenigen, die der Genrezuordnung auf den Leim gegangen sind. Falls man hier wirklich über einen Kriminalroman sprechen möchte, dann zumindest über einen, der völlig anders ist. Ein traditionelles Verbrechen findet nicht statt, polizeiliche Ermittler erscheinen ganz am Rand, Schuldige, falls es denn welche gibt, werden kaum zur Rechenschaft gezogen.
Alles ist verwirrend und undurchsichtig, der Fokus wird so stark auf Iason gerichtet, dass alles andere verschwimmt und sich verliert.
So bleibt man am Ende mit vielen Fragen und der einzigen Gewissheit zurück, soeben ein faszinierendes, fesselndes Leseerlebnis gehabt zu haben.