„Cartier“ ist heute eine Marke des Schweizer Luxuswarenkonzerns Richemont und obwohl die Marke langsam an Glanz verliert, ist mit ihr eine unglaubliche Familiengeschichte verbunden. Über drei Generationen hinweg, seit 1847 Louis-François Cartier eine Goldschmiede übernahm, haben die Firmenlenker mit
unerschütterlicher Zielstrebigkeit ihren Weg nach oben gemacht und Juweliergeschichte geschrieben.…mehr„Cartier“ ist heute eine Marke des Schweizer Luxuswarenkonzerns Richemont und obwohl die Marke langsam an Glanz verliert, ist mit ihr eine unglaubliche Familiengeschichte verbunden. Über drei Generationen hinweg, seit 1847 Louis-François Cartier eine Goldschmiede übernahm, haben die Firmenlenker mit unerschütterlicher Zielstrebigkeit ihren Weg nach oben gemacht und Juweliergeschichte geschrieben. Der typische Cartier-Stil hat über ein halbes Jahrhundert die Goldschmiede der ganzen Welt beeinflusst.
Francesca Cartier Brickell ist Enkelin des letzten Firmeninhabers, der die „alten Garde“ noch persönlich kannte. Auf seinem Dachboden fand Francesca 2009 einen Koffer voller Briefe und Firmenunterlagen, die die fast lückenlose Geschichte der Cartiers erzählten. Zum Glück lebte ihr Großvater Jean-Francois noch und konnte ihr weitere persönliche Anekdoten aus der Firmengeschichte und über die Familie erzählen, die sie in Interviews aufzeichnete. Aus den gesammelten Informationen ist dann dieses Buch geworden, das einen einzigartigen Einblick in dieses Familienimperium liefert. Sicher ist dabei hilfreich, dass die Marke nicht mehr in Familienbesitz ist, denn es gibt auch ein paar kritische Aspekte in dieser Biografie, aber unter dem Strich muss sich Francesca Cartier Brickell nicht für ihre Familie schämen. Es waren Unternehmer par excellence, zielstrebig, risikobereit und mit dem unbedingten Willen zum Aufstieg. Dabei haben sie, die aus kleinen Verhältnissen stammten, viele berühmte Häuser hinter sich gelassen, die heute kaum noch jemand kennt, bis sie zum unangefochtenen Juwelier der High Society wurden. Fehlschläge und Krisen gab es genügend, aber die Cartiers haben Krisen immer genutzt, um daran zu wachsen. Eine fast schon dynastische (und mitunter rücksichtslose) Heiratspolitik hat ihnen dabei den Weg geebnet.
Die Datenfülle, aus der Francesca Cartier Brickell schöpfen kann, ist unglaublich. Angefangen bei den persönlichen Briefen, über die Verkaufsbücher (erhalten seit den frühesten Tagen), Zeitungsartikel und selbst Tagebucheinträge von ehemaligen Kunden, Mitarbeitern und Dokumente von Geschäftspartnern - die Recherchearbeit hat nicht umsonst 10 Jahre gedauert. Dass Francesca Cartier Brickell im Zweifel Partei für ihre Vorfahren ergreift und der Stil manchmal ein wenig ins Glorifizierende abgleitet, ist sicher eine Folge des Interessenkonflikts, der sich ergibt, aber die Fakten sind letztlich alle überprüfbar und mit Quellenangaben belegt. Bis zur dritten Generation zeigt die Familie eine bemerkenswerte Einigkeit, auch wenn manche Entscheidungen über Köpfe und Interessen hinweg eine ziemliche Zumutung waren. Die Firma (und ihr Ruf) gingen vor persönlichen Befindlichkeiten und Wünschen, wie man das bei alteingesessenen Familienunternehmen auch heute noch vereinzelt findet. In der vierten Generation zerfällt dann das Imperium, vor allem aufgrund von Erbteilungen. 1974 verkaufte Francescas Großvater seine Firmenanteile an einen Investor, der später weitere Unternehmensteile von anderen Familienmitgliedern erwarb. Aber da war Cartier schon längst ein Luxusjuwelier unter anderen in der Welt. Künstlerische und handwerkliche Innovation waren schon früher weitgehend abhandengekommen.
„Die Cartiers“ ist ein Musterbeispiel für brillantes Unternehmertum, aber auch ein Beispiel für den durch die Erbengeneration ausgelösten Niedergang. Diesen Transit schaffen nicht viele Firmen. Von Cartier ist zumindest der gute Name und ein funktionierendes Geschäftsmodell geblieben.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)