»Ich habe einige unheilbare Wunden und weiß, dass noch mehr folgen werden«, sagte sie. »Eine andere Frau würde eine ausgestreckte Hand nicht fortschlagen, nicht in einem fremden Land, wo sie sonst allein unter Feinden wäre. Aber ich weiß es besser, Areto. Zum Würgen und Schlagen bedarf es beider
Hände. Es ist grausam, doch ehrlich. Wer dich dagegen füttert, braucht nur eine Hand und kann die…mehr»Ich habe einige unheilbare Wunden und weiß, dass noch mehr folgen werden«, sagte sie. »Eine andere Frau würde eine ausgestreckte Hand nicht fortschlagen, nicht in einem fremden Land, wo sie sonst allein unter Feinden wäre. Aber ich weiß es besser, Areto. Zum Würgen und Schlagen bedarf es beider Hände. Es ist grausam, doch ehrlich. Wer dich dagegen füttert, braucht nur eine Hand und kann die andere hinter dem Rücken verbergen. Ich kann dir nicht trauen. Und du solltest es mir gleichtun.«
Aus Die Götter müssen sterben von Nora Bendzko
KURZMEINUNG
Brutal ehrliche Dark Fantasy, die auf vielen Ebenen emotional aufwühlt, begeistert und fasziniert.
SCHREIBSTIL & CHARAKTERE
Dieses Buch ist in sich so gewaltig, dass es eine kleine Weile brauchte, es zu verdauen. Normalerweise schreibe ich Rezensionen für Bücher, die mir außerordentlich gut gefallen haben, sofort. Doch in diesem Fall musste sich die Geschichte erst setzen und ihren Platz in meinen Gedanken und meinem Herzen finden.
Es ist auf so vielen Ebenen ein gelungenes Werk. Zwischen den Zeilen singt es, zeigt trotz der fantastischen Aspekte die brutale und groteske Ehrlichkeit – das dahinter der schillernden Sagen um die Griechen und ihre Götter.
Doch was mich so überzeugt hat, war die Unerbittlichkeit, mit der Nora Bendzko das Leben der Amazonen, das Leben aller in der damaligen Zeit, beschrieben hat. Weder waren die Kriegerinnen nur blutgierige und Männer fressende Furien – das kam nur manchmal ein wenig raus ^^ – noch trugen sie Blumen im Haar und lebten friedlich zusammen. Die Natürlichkeit, die hier mitschwingt, die Offenheit, die sie ihren Protagonist:innen schenkt, das alles fasziniert und fesselt. Es erschreckt jedoch auch, bringt zum Schlucken, zum Tränen wegblinzeln und vor allem dazu, die Gefühle der Charaktere in mir zum Klingen zu bringen bis sie der Geschichte antworten. Ein unbeschreibliches Lesegefühl!
Dahinter findet sich eine greifbare Atmosphäre – ich übertreibe nicht, wenn ich Euch sage, dass ich während so mancher Kampfhandlung das Blut auf meiner Zunge schmecken konnte. Nora Bendzko schreibt bildgewaltig. Ich hatte den Schlachtenlärm im Ohr, sah die Handlung vor meinem geistigen Auge und wurde mitten hineingezogen, in diesen Strudel aus Liebe, Hass, Verrat, Ehre, Verlust und Intrigen. Sehr zugesagt hat mir ihre Interpretation der Götter – so stelle ich sie mir auch immer vor. ^^
Dennoch möchte ich das Buch nicht verfilmt wissen, denn ich glaube nicht daran, dass man dieser Umgebung gerecht werden könnte. Es lebt definitiv von der eigenen Vorstellungskraft.
MEIN FAZIT
Bild- und emotionsgewaltige, düstere Fantastik, die von ihrer brutalen Ehrlichkeit und ihrer greifbaren und authentischen Atmosphäre lebt. Episch!
MEINE BEWERTUNG
Höchstwertung!
5/5 Goldene Zahnrädchen
©Teja Ciolczyk, 15.07.2021