Gleich zu Beginn erklärt Thomas Piketty, dass sich mit der franz. Revolution und der Aufhebung von Adelsprivilegien die Ungleichheit reduziert habe und bis heute dieser positive Prozess anhält. Auch die amerikanische Unabhängigkeit habe dazu beigetragen und der neoliberale Umschwung seit den 80ern
hat nichts daran geändert (vielleicht hat er es zum Besseren gewendet?). Insbesondere Frauen haben…mehrGleich zu Beginn erklärt Thomas Piketty, dass sich mit der franz. Revolution und der Aufhebung von Adelsprivilegien die Ungleichheit reduziert habe und bis heute dieser positive Prozess anhält. Auch die amerikanische Unabhängigkeit habe dazu beigetragen und der neoliberale Umschwung seit den 80ern hat nichts daran geändert (vielleicht hat er es zum Besseren gewendet?). Insbesondere Frauen haben mehr Teilhabe und gleiche Rechte. Die Einkommensunterschiede waren von 100 Jahren größer und noch ungleicher vor 200 Jahren. Fairer Zugang zu Bildung für alle war ein Schlüsselmoment für diese Entwicklung.
Das geführte Gespräch zieht den Leser in das Denken zweier sozialistischer oder sozialdemokratischer Denker hinein, in dem ihr Denken oft etwas zu abgehoben erklärt wird. Sie springen von Staat zu Staat und wirken hochmoralisch gerecht und sozial mitfühlend. Dabei wollen sie die ganze Welt zu einem Ausgleich und zur Gerechtigkeit führen. Alles kann so gesehen bzw. bedacht werden. Auf Seite 146 lesen wir von Piketty diesen Satz: „Der Wettbewerb hat bis zu einem gewissen Maße zum Wohlstand beigetragen, allerdings mit enormen sozialen Kosten, sozialen Schäden und Umweltzerstörungen.“
Hier bin ich anderer Meinung. Marktwirtschaft oder Kapitalismus wie sie von vielen abwertend umschrieben wird, ist die einzige Möglichkeit, Wohlstand und Gerechtigkeit zu schaffen, weitestgehend im Wettbewerb. Sie war die wesentliche Ursache der Zurückdrängung von Armut. Alle sozialistischen Konzepte sind in der Geschichte gescheitert. Etwas für sich selbst zu erschaffen, Ideen zu entwickeln, sie mit anderen zu tauschen, ist die allen Menschen am meisten Vergnügen bereitende Art zu arbeiten, um etwas zu erreichen. Viele mögen die Zurschaustellung des Besitzes genießen, nach außen, die meisten aber genießen still nach innen, im Sinne einer intrinisischen Motivation.
Menschen mögen kollektivistische Verirrungen und Vorgaben nicht, die von anderen definiert werden. Die Geschichte hat dies bewiesen. Bei uns zuletzt in einer sozialistischen DDR, bei der die kleine Spießbürgerlichkeit durch Honecker oder Mielke zum Himmel schrie. Diese Kernfrage sozialistischer Führung wird von beiden nicht diskutiert. Stattdessen denken sie an die Gemeinschaft, gemeinsame Werte und soziale Teilhabe etc. Es sind durchaus berechtigte Ziele, die aber immer den Identitätskern des Menschseins unterstützen sollten, nämlich für sich selbst und die Familie etwas zu er-wirtschaften. Das darum liegende Gemeinschaftliche ist wichtig, aber dem nachgelagert.
Der Wettbewerb hat m.E. also nicht nur bis zu einem gewissen Maß zum Wohlstand beigetragen, wie das Piketty ausdrückt, sondern ganz entscheidend oder überwiegend. Wer das Buch so liest, erkennt, das beide die negativen möglichen Effekte von Kapitalismus ansprechen und die Frage stellen, wie man diese zurückdrängen kann. Deswegen ist das Buch in jedem Fall interessant und bedenkenswert. Sie wollen z.B. Steueroasen unmöglich machen und plädieren für eine Steuerzahlung nur in den Ländern, wo auch produziert wird. Durchaus sinnvoll, aber schwer zu erreichen ohne eine Weltregierung, die es wohl nie geben wird.
Dass immer wieder Rousseau angeführt wird, der die Ungleichheit ganz wesentlich auf das Bürgertum zurückführt, das mit dem Einzäunen des ersten Hauses alles Negative geschaffen hätte, es wirkt eher bemüht und peinlich. Wichtig wäre der Vergleich seiner Ideen mit seinem tatsächlichen Leben bzw. seinem Tun gewesen.
Überhaupt nicht diskutiert werden kulturelle und religiöse Unterschiede als Ursache für Ungleichheit z.B. bei muslimischen Frauen. Hier geht man wohl davon aus, dass dies nicht so wichtig sei. Die Wähler in großen Agglomerationen in Frankreich wählen z.B. Le Pen, auch wegen der Migrantennähe. Dies wird erwähnt, die dafür notwendigen Analysen fehlen aber.
Schade, dass beide Autoren aus dem gleichen (linken) Lager kommen, ein stärkerer Verfechter der Marktwirtschaft wie z.B. Dr. Dr. Zitelmann würde aus diesem Buch ein echtes Gespräch bzw. eine Diskussion gemacht haben, die wirklich weiter bringt. Die Autoren haben völlig Recht, wenn zu große Machtkonzentration als Haupt-Problem eines fairen Wirtschaftens angesprochen wird. Kartellämter aber werden in den meisten Staaten nicht mehr so wichtig genommen. Man kann an den Markt und seine Innovationskräfte glauben wie man an wertebasierte Vorgaben glaubt, beide sollten fein ausbalanciert werden, um langfristig erfolgreich zu sein. Dabei darf der Staat niemals ein Übergewicht bekommen, sondern die freien, kreativen Kräfte sind die besseren Wohlstandsmacher und Ungleichheits-Vermeider.