William Edward Burghardt „W. E. B.“ Du Bois ([duːˈbɔɪz], *23. Februar 1868 in Great Barrington, Massachusetts; †27. August 1963 in Accra, Ghana) war ein US-amerikanischer Historiker, Soziologe, Philosoph und Journalist, der in der Civil Rights Movement mitwirkte. (Wikipedia)
Aileys Stammbaum
reicht weit in die amerikanische Geschichte zurück. Unter ihren Vorfahren befinden sich sowohl…mehrWilliam Edward Burghardt „W. E. B.“ Du Bois ([duːˈbɔɪz], *23. Februar 1868 in Great Barrington, Massachusetts; †27. August 1963 in Accra, Ghana) war ein US-amerikanischer Historiker, Soziologe, Philosoph und Journalist, der in der Civil Rights Movement mitwirkte. (Wikipedia)
Aileys Stammbaum reicht weit in die amerikanische Geschichte zurück. Unter ihren Vorfahren befinden sich sowohl Ureinwohner als auch weiße Einwanderer, aber vor allem Schwarze mit afrikanischen Wurzeln. Dieses Erbe und ihre Sommer in Chicasetta, wo ihre Großmutter in dem ehemaligen Herrenhaus einer Plantage lebt, auf der ihre Ahnen früher als Sklaven schuften mussten, haben Ailey geprägt. Und so widmet sie ihr Studium der Historie, versucht, sich selbst zu finden, indem sie denen, die vor ihr lebten und litten, eine Stimme gibt.
In zwei Strängen und auf fast 1000 Seiten erzählt Honorée Fanonne Jeffers in ihrem Roman „Die Liebeslieder von W. E. B. Du Bois“ eine gewaltige Familien- und Landesgeschichte. In dem einen beschreibt Ailey als Ich-Erzählerin ihr Leben in einer Zeit, in der Afroamerikaner zwar offiziell die gleichen Rechte haben, wie Weiße, in der der Rassismus aber noch lange nicht überwunden ist. Aber auch von einer Realität, in der Schwarze in ihren eigenen Reihen Regeln unterliegen, die sich nach Abstammung und Farbton der Haut richten. In einer Welt, in der, trotz Fortschritten, Hautton und Geschlecht nach wie vor mitbestimmen, welche Wege einem offen stehen. Und unter welchen Bedingungen.
Die zweite Stimme gehört einem kollektiven „wir“, eine Art Flüstern aus der Vergangenheit, das vermutlich von den Ahnen der Creek, den Ureinwohnern im Gebiet des heutigen Georgia, stammt. Eine Stimme, die die Geschichte der Familie über den Verlauf von gut 400 Jahren erzählt, und dabei als Individuum immer mehr hinter der Erzählung verloren geht.
1000 Seiten sind viel, auch für Freunde dicker Schinken. Manchen Büchern schadet das nicht, aber zu denen gehören „Die Liebeslieder“ meiner Empfindung nach nicht ganz. Die Geschichte der Vorfahren ist ehrgeizig, will viele Themen unterbringen, alle Aspekte der Sklaverei, die Vernichtung der Ureinwohner, persönliche Familiendramen und -konflikte… Als Leser habe ich, trotz Familienverzeichnis im Anhang (einen grafischen Stammbaum hätte ich sinnvoller gefunden), den Überblick, und, als Folge dessen, auch einen Teil meines Interesses verloren. Aileys Geschichte auf der anderen Seite war das genaue Gegenteil, in die Länge gezogen und teilweise irrelevant. Wie ein eher mittelmäßiger Campus-Roman, den ich nicht unbedingt hätte lesen müssen.
Aber neben diesen Schwächen hat das Buch auch starke Seiten. Ich bin in der Regel eher Kopf- als Gefühls-Leserin. Dass ich emotional wirklich mitleide, kommt so gut wie nie vor. Aber hier schon. Einige Szenen, besonders die über Kindesmissbrauch, der sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht, waren so heftig, dass ich das Buch zur Seite legen und ein paar Tage pausieren musste. Heftig auf eine nüchterne Art, die ohne Drama und Sensationsgier auskommt. Das Leid vieler, vieler Betroffener spürbar zu machen, das ist der Autorin wirklich gelungen.
Ein großes Lob geht an die Übersetzerinnen Maria Hummitzsch und Gesine Schröder. Einen Roman, in dem Sprache eine so wichtige Rolle spielt, in eine andere, die diese spezielle Distinktion nicht hat, zu übertragen, muss einen verzweifeln lassen. Die Idee, Originalsätze aus dem sogenannten African American Vernacular English in die deutsche Version einfließen zu lassen, fand ich eine intelligente und gut umgesetzte Lösung. Die Nachworte der Beiden sollte man unbedingt lesen. Vielleicht sogar schon vor der Lektüre.
Und ebenso wenig schadet es, wenn man sich im Vorfeld über die Debatte zwischen W. E. B. Du Bois und Booker T. Washington informiert. Leser mit Vorwissen sind hier deutlich im Vorteil.
Zusammengefasst ist „Die Liebeslieder von W. E. B. Du Bois“ ein Buch, das mich ein paar Nerven gekostet hat, aber alles in allem die Mühe wert war. Der Roman will viel, vielleicht zu viel, aber auf diese Weise nimmt man auch auf jeden Fall etwas daraus mit. Leseempfehlung für Interessierte und Geduldige.