Die Sehnsucht nach dem Unbekannten – ein modernes Märchen warmherzig erzählt
Stella ist fünfzehn, als ihr alleinerziehender Vater stirbt. Er hatte für sie gesorgt, das Haus ist in Ordnung, und finanziell muss sie sich keine Sorgen machen. Die Beerdigung läuft so ab, wie es auf dem Land so üblich
ist. Ein paar tröstende Worte, weniger helfende Hände, und zahlreiche Säufer beim obligatorischen…mehrDie Sehnsucht nach dem Unbekannten – ein modernes Märchen warmherzig erzählt
Stella ist fünfzehn, als ihr alleinerziehender Vater stirbt. Er hatte für sie gesorgt, das Haus ist in Ordnung, und finanziell muss sie sich keine Sorgen machen. Die Beerdigung läuft so ab, wie es auf dem Land so üblich ist. Ein paar tröstende Worte, weniger helfende Hände, und zahlreiche Säufer beim obligatorischen Leichenschmaus. Er sei schon immer etwas sonderbar gewesen, ihr Herr Vater. So die Meinung – und seine Tochter, naja, wie soll man sagen, … Getratsche der Menschen, allen voran der Herr Pfarrer, der es sich auch hin und wieder nicht nehmen lässt, sein Hände und Augen dort zu positionieren, wo sie nicht sein sollen.
Zumindest auf das Wohlwollen des Bürgermeisters kann sie sich voll und ganz verlassen.
Stellas Vater war besessen von den Sonnenfinsternissen. So oft es ihm möglich war, reiste er über den ganzen Globus, um dem himmlischen Spektakel beizuwohnen. Das dauerte oftmals einen Monat, und er verabsäumte es nicht, alles genau zu dokumentieren, sodass Stella alles nachlesen konnte. Die Faszination schlägt über, und auch Stella begibt sich auf eine Reise zur Verdunkelung der Sonne in den Kongo.
Das ist der große Rahmen, aber dazwischen finden wir in den Zeilen dieses modernen Märchens so viel mehr. Wissen um den Planeten in seiner vielfältigen Form, fein verpackt in eine, ich möchte sagen, beinahe einfache Sprache. Das Leben von Stella – und ihre besondere Beziehung zu den Schatten.
Der Roman strahlt eine angenehme Ruhe aus, kommt mit einem großen Maß an Empathie daher und rührt in unserem Inneren ein wenig um. Was ist denn wichtig im Leben, neben all den Nebenschauplätzen, die das Überleben sicheren? Auf was kommt es an?
S.98: „Afrika lässt in Wahrheit bis heute mein Herz höherschlagen, auch wenn ich lange Zeit nicht ahnte, warum. Vielleicht hat ein jeder im Leben einen geheimen Sehnsuchtsort, von dem er sich erwartet, dort irgendwann mehr über sich selbst zu erfahren.“ Ob es ihr gelingt, verrate ich natürlich nicht …
S.164: „Eines der größten Mysterien der Kindheit war, mir ernsthaft vorzustellen, dass ich zu keinem Zeitpunkt den ganzen Mond überblickte, sondern nur eine, uns Erdbewohnern zugewandte Seite.“
Auch das ist für so ein Satz, der in einem umrührt und ein Sehnsucht nach dem Unbekannten weckt. Und nur, so glaube ich, wer die Welt mit Kinderaugen betrachtet, wird tatsächlich all die Wunder entdecken können, die sich offenbaren.
Die Sprache ist einfach gewählt, leicht und flüssig, aus Sicht von Stella erzählt – und erinnert uns tatsächlich an ein Märchen – oder einen Coming-of-Age Roman mit (Vor)Zügen des magischen Realismus'.
Das Buch habe ich sehr gerne gelesen, und gebe eine große Leseempfehlung – Licht und Schatten – und wenn wir einen Schatten sehen, ist immer Licht im Spiel.