Seitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Die Vegetarierin ist keine leichte Kost. Wer bereit ist für eine intensive und gewaltsame Leseerfahrung ist hier an der richtigen Adresse. Das Buch entwickelt einen Sog, von dem ich mich beim Lesen nicht frei machen konnte – munter weiter, bis nach ganz
unten sozusagen. Ich bin begeistert und erschüttert. Für mich eines der besten Bücher überhaupt.
Wie…mehrSeitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Die Vegetarierin ist keine leichte Kost. Wer bereit ist für eine intensive und gewaltsame Leseerfahrung ist hier an der richtigen Adresse. Das Buch entwickelt einen Sog, von dem ich mich beim Lesen nicht frei machen konnte – munter weiter, bis nach ganz unten sozusagen. Ich bin begeistert und erschüttert. Für mich eines der besten Bücher überhaupt.
Wie ich es auch drehe und wende, es gefällt und gelingt mir nicht, über dieses Buch zu schreiben. Mein Versuch, mich von der Form zum Inhalt voran zu bewegen, geht nicht auf! Beides ist nicht voneinander zu trennen. So erzeuge ich nur einen künstlichen Schnitt, wo keiner ist. Fakt ist: Das Buch ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder seine ganz eigene Dynamik entwickelt. In allen drei Akten betrachtet Han Kang eine andere Beziehungskonstellation und beschreibt sie mit eindringlichen, aber lakonischen Worten. Wie eine Beobachterin steht sie neben den Charakteren, schaut ihnen zu, und dokumentiert alles. Dabei kommt es immer wieder zu extrem verdichteten Momenten in denen ihre lakonische Sprache nicht mehr ihren Inhalt deckeln kann. In diesen Momenten bricht der Inhalt des Buchs mit einer derartigen Gewalt aus den Sätzen hervor, schlägt mir ins Gesicht, dass ich nicht mehr los komme. In einem Sog, immer weiter und weiter, werde ich mitgerissen von Han Kangs Bericht. Bis, plötzlich, die Worte sich wieder ermächtigen und es schaffen, ihren gewaltvollen Inhalt im Zaum zuhalten. So geht es das ganze Buch über. Wie Ebbe und Flut, Blitz und Donner: Es beginnt, es kracht, es wendet sich ab, nur um zurückzukehren…
Niemals aufgeregt, sondern in einer poetischen, eiskalten Präzision gießt Han Kang die Geschichte Yeong-Hyes in Worte. Eindringlich entwickelt sie Yeong-Hyes Psychogramm und zeichnet das Bild einer zerütteten Frau, ohne dabei diagnostisch oder urteilend zu werden.
Erschöpft lese ich mit flatternden Augen Seite für Seite. Ein Netz zwischen Kinds- und Tieresmissbrauch, emotionaler Vernachlässigung, Hilflosigkeit und Hoffnung spinnt sich zwischen den Seiten, das mich gefangen nimmt und nicht mehr loslässt.
Immer wieder lege ich das Buch zur Seite. Tief Luft holend versuche ich zu verstehen, was ich dort gelesen habe. Es gelingt mir nicht, stattdessen lese ich weiter. Bis ich plötzlich am Ende angelangt bin.. Und so sprachlos wie ich das Buch beendet habe, beende ich auch den Versuch dieser Rezension… Ich habe keine Lust, darzustellen, wie das Buch zeigt, dass Machtregime durch veränderte Mikropolitiken deutlich hervortreten und Widerständigkeit in haarfeinen Veränderungen von Rezitationsschleifen derart wirkmächtig ist. Was über bleibt, ist das Wissen, dass es doch immer weiter geht, dass es doch immer weiter gehen muss; Zugleich unentwegt auf der Stelle steht, nach Hinten schaut und nicht loslassen kann, was hinter einem liegt…