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Der Geschichtswissenschaft, und nicht nur ihr, ist unmerklich der Begriff der Wahrheit abhandengekommen, und mit ihm auch derjenige von Tatsache und Quelle. Über die Rankesche Absicht, lediglich zu sagen, wie es eigentlich gewesen, lächeln die Kenner. Wenn alles Text ist und alles Rhetorik, wenn man nicht mehr wissen will, was war, sondern nur noch, wie darüber geredet wurde, wenn vorgeblich die Beobachtung das Beobachtete schafft und alle Erinnerung irreparabel alles verfälscht, dann verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion, geht die Wirklichkeit verloren, gilt nicht mehr Demut,…mehr

Produktbeschreibung
Der Geschichtswissenschaft, und nicht nur ihr, ist unmerklich der Begriff der Wahrheit abhandengekommen, und mit ihm auch derjenige von Tatsache und Quelle. Über die Rankesche Absicht, lediglich zu sagen, wie es eigentlich gewesen, lächeln die Kenner. Wenn alles Text ist und alles Rhetorik, wenn man nicht mehr wissen will, was war, sondern nur noch, wie darüber geredet wurde, wenn vorgeblich die Beobachtung das Beobachtete schafft und alle Erinnerung irreparabel alles verfälscht, dann verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion, geht die Wirklichkeit verloren, gilt nicht mehr Demut, sondern nur noch Deutungshoheit. Historiker sollten dann lieber gleich Romane schreiben. Dabei ist wahr/nicht wahr der Code und das Gesetz aller Wissenschaft. Es ist also zu fragen, ob nicht vor lauter Selbstkritik und Komplexitätsfreude einiges Grundsätzliche vergessen wurde. Es ist leicht, sich über den Erkenntnisoptimismus der »Positivisten« des 19. und 20. Jahrhundert lustig zu machen, aber das enthebt keineswegs davon, sich (oft mit ihrer Hilfe) um die Richtigkeit der Fakten zu bemühen, auch wenn diese nur ein Gerüst liefern können, mit dessen Hilfe der phantasiebegabte Historiker die Vergangenheiten rekonstruiert - das Konstruieren muß und darf er indes den Dichtern überlassen. Der vorliegende Essay verschafft Überblick über eine seit mehr als hundert Jahren währende, überaus aktuelle Diskussion, die an die Grundfesten der Geschichtswissenschaft rührt, und lädt dazu ein, zu Vernunft und Augenmaß zurückzufinden, damit Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung sich nicht so weit vom menschlichen Leben und Erleben entfernen, daß sie schließlich niemanden mehr interessieren.

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Autorenporträt
Werner Paravicini, ehemaliger Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris, ist Honorarprofessor an der Universität Kiel.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im etwas paradoxen Genre der besprechenden Nicht-Besprechung eines Buchs übt sich hier FAZ-Feuilletonchef Patrick Bahners. Die Grundtendenzen des Buches von Werner Paravicini stellt er durchaus vor: Es handelt sich um eine Streitschrift gegen den Konstruktivismus, der auch bei den Historikern inzwischen Einzug gehalten hat - die Einsicht also, dass auch historische "Wahrheiten? nicht ohne den Blick auf die narrativen und anderen Konventionen, denen die Geschichtserzählung folgt, zu haben sind. Bahners sieht die Thesen Paravicinis durchaus kritisch, kommt dann aber auf den Grund, aus dem das Buch für die FAZ nicht rezensierbar ist. Paravicini stützt sich in seinen (hunderten) Anmerkungen fast vollständig auf Artikel und Belege aus dem FAZ-Feuilleton. Darum verbietet sich die Besprechung, wolle die FAZ nicht den Eindruck erwecken, dass es ihr "mehr um Netzwerkbildung als um die Wahrheit? gehe.

© Perlentaucher Medien GmbH
"In einem Atemzuge gelesen, ein Vergnügen für einen langen Nachmittag; Seite für Seite studiert und durchgearbeitet, kaum weniger als ein Kompendium geschichtstheoretischer Positionen der vergangenen Generationen. Ein großes, dabei schmales Buch!" Thomas Vogtherr, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, 129 "Der Herold ist Werner Paravicini (...) dankbar, dass er sich der überfälligen Debatte stellt, in der er unermüdlich betont, dass Historiker finden und nicht erfinden sollten. Schließlich bleibt er 'Sklave seines Dokuments' (Marc Bloch). Andernfalls wäre die Geschichtsschreibung kaum den Aufwand wert, den sie betreibt." Eckart Henning, Herold-Jahrbuch, 16.Band(2011)