Reichlich verschwurbelt geschrieben – aber hochinteressant
Zunächst zum Schreibstil von Dan Diner. Der Autor liebt offensichtlich ellenlange Schachtelsätze. Es macht einige Mühe, sich in das Buch hinein zu lesen. Aber dann...
Die Mühen, die historischen Fehler, die vor und bei der Gründung des
heutigen Staates Israel gemacht wurden, beschreibt Dan Diner ausführlich. Trotzdem die sich jeder…mehrReichlich verschwurbelt geschrieben – aber hochinteressant
Zunächst zum Schreibstil von Dan Diner. Der Autor liebt offensichtlich ellenlange Schachtelsätze. Es macht einige Mühe, sich in das Buch hinein zu lesen. Aber dann...
Die Mühen, die historischen Fehler, die vor und bei der Gründung des heutigen Staates Israel gemacht wurden, beschreibt Dan Diner ausführlich. Trotzdem die sich jeder menschlichen Vorstellungskraft entziehende industriell organisierte Ermordung von Millionen Menschen durch die Nazis einen der Schwerpunkte der 346 Seiten bilden, geht es noch um sehr viel mehr. Von den 346 Seiten Umfang entfallen im Übrigen 42 auf Anmerkungen und Literaturhinweise. Alle, die die Feststellungen des Autors in Zweifel ziehen oder sogar negieren, können diese Feststellungen also problemlos auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. So sie sich ausgehend von ihrer Leugnung der Tatsachen diese Mühe überhaupt machen.
Aus diesem Verhalten heraus entwickelten sich die verhängnisvollen Grundlagen des bis heute aktuellen so genannten Nahost-Konfliktes. Mitsamt der katastrophalen Situation in Syrien, Libanon, Iran, Irak, Kurdistan, dieses ganze Pulverfass.
Die Briten verweigerten trotz der erlangten Kenntnisse über die Massenvernichtungslager der Nazis die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge in ihrem völlig unberechtigt erlangten Mandatsgebiet Palästina. Dies aus der Befürchtung heraus, dass sie, die Briten, die Kontrolle über Palästina verlieren können.
Der indische Ozean wurde von den Briten faktisch als Besitz des Empires betrachtet. Um diese mit nichts zu rechtfertigende Ansicht zu verteidigen, schreckten sie auch vor Massakern nicht zurück. Nur eines von vielen möglichen Beispielen, Seite 59: "Hierfür steht das Vorgehen der 'Royal Ulster Rifles' (RUR), die Anfang September 1938 an den arabischen Bewohnern des ganz in Grenznähe zum Libanon gelegenen Dorfes al-Bassa ein Massaker verübten. Nachdem ein britisches Militärfahrzeug auf einer verminten, am Dorf vorbeiführenden Straße zerstört worden war, wobei vier aufsitzende Soldaten des besagten Regiments zu Tode kamen, trachteten die RUR nach Vergeltung. Dorfbewohner wurden in einen Bus gepfercht, und dessen arabischer Fahrer musste ihn über eine von britischen Pionieren gelegte Mine lenken. Die professionell platzierte Sprengladung entfaltete eine derartige Wucht, dass das Fahrzeug vollständig zerbarst und Leichenteile in die weitere Umgebung geschleudert wurden."
Sir Arthur Travers Harris, später unter der Bezeichnung 'Bomber-Harris' bekannt geworden, war 1922 Führer einer Lufttransportstaffel im Irak. Dort versuchten, den Widerstand der Einheimischen durch Terrorangriffe auf Städte und Dörfer zu brechen, bevor der Einsatz von Infanterie notwendig wurde. Harris hatte die Idee, alle Transportflugzeuge zusätzlich mit Bombenträgern auszustatten, „kam es doch nicht auf Präzisionsangriffe an, sondern auf eine möglichst flächendeckende Terrorisierung der Bevölkerung.“
Auf seinen Befehl hin wurde im Juli/August 1943 bei der Operation Gomorrha Hamburg in Schutt und Asche gelegt. Er lernte sein "Handwerk" also bei der Terrorisierung der arabischen Bevölkerung.
Weitere äusserst interessante und bei dem üblichen Blickwinkel aus europäischer Sicht meist übersehene Aspekte ist der Krieg in Nord-Afrika, die Pläne und Absichten des japanischen Militärs in Ostasien, Stichworte Burma und Indien, der Krieg im östlichen Mittelmeer, die Wege der Waffen- und Rohstofflieferungen der USA an die Rote Armee, sprich die Sowjetische Militärmacht. Ohne die der Feldzug der Roten Armee gegen Nazi-Deutschland nicht möglich gewesen wäre.
Sich in das Buch hineinzulesen, sich mit dem Schreibstil von Dan Diner halbwegs anzufreunden ist die Mühe allemal wert.