Aufrüttelnder Bericht über Schriftstellerinnen der Gruppe 47. Ein wichtiges Buch!
Im Jahr 1947 lud die Autorin Ilse Schneider-Lengyel Schriftsteller in ihr Haus am Bannwaldsee ein. Sie sorgte für Kost und Logis. Es war der Startschuss für die Gruppe 47. Es sollten Treffen voller literarischer
Brisanz werden, ein Austausch auf Augenhöhe, um die neue Literatur in Deutschland nach dem Krieg wieder…mehrAufrüttelnder Bericht über Schriftstellerinnen der Gruppe 47. Ein wichtiges Buch!
Im Jahr 1947 lud die Autorin Ilse Schneider-Lengyel Schriftsteller in ihr Haus am Bannwaldsee ein. Sie sorgte für Kost und Logis. Es war der Startschuss für die Gruppe 47. Es sollten Treffen voller literarischer Brisanz werden, ein Austausch auf Augenhöhe, um die neue Literatur in Deutschland nach dem Krieg wieder voranzubringen. Es gab strikte Regeln, wer dabei sein durfte. Diese begründeten sich u.a. mit der Kriegsvergangenheit der Autor:innen.
S. 210: „… er [Richter] wollte denen, die einen anderen Umgang mit dem Nationalsozialismus gefunden hatten als den Gehorsam, kein Gehör verschaffen.“ Sie wollten eine junge Literatur schaffen, von den alten Klassikern abgrenzen. Zwanzig Jahre später waren sie selbst „alt“, junges Blut nicht unbedingt willkommen.
Die Namen der Männer, die sich um Hans Werner Richter scharten, dürften vielen von uns mehr oder weniger bekannt sein. Aber wie sieht es mit den Autorinnen aus? Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann. Und dann? Kennen wir die Namen Drewitz, Wohmann, Elsner, König, Koschel, Reinig, Fleming, Novak, Borchers, Plessen, Frischmuth, Rasp?
Das waren in ihrer Zeit alles zum Teil sehr erfolgreiche Autorinnen, doch sie schafften es nicht, uns in Erinnerung zu bleiben, oder gar im Kanon.
Seifert beleuchtet in diesem wirklich sehr lesenswerten Buch die Umstände, wie es dazu kam, wie gute Autorinnen unterdrückt, wenig beachtet und sexualisiert wurden. Sie stellt uns die Frauen vor, erläutert ihr schriftstellerisches Werk – und welche Erfahrungen sie bei den Gruppentreffen machten. Und diese Begegnungen hatten meistens, angeführt durch Aussagen von Richter, einen sehr negativen, sexistischen Beigeschmack. Nicht selten wurden die teilnehmenden Autorinnen nur nach ihrem Äußeren bewertet, nicht aber nach ihrem schreiberischen Können.
Redakteure des Spiegels bliesen ins das selbe Horn, Diskreditierungen, sogar posthum, waren weit häufiger zu lesen als wohlwollende Kritik. Auch die ehemalige Gastgeberin wurde als solche ausgenützt, ihr literarisches Werk abgewertet. Die Details in diesem Buch sind wirklich sehr haarsträubend.
S.178: „Zweifel an der Eigenständigkeit der Arbeit zu säen und auf das Äußere der Autorin auszuweichen – beides bewährte Strategien, um die Arbeit von Schriftstellerinnen abzuwerten. [am Beispiel von Gisela Elsner]
Das Buch ist äußerst sorgsam recherchiert und zusammengestellt. Die einzelne Passagen zu den Treffen und Autorinnen lesen sich spannend wie ein Krimi. Sie stecken voller Details, und klingen dennoch nicht überladen. Ganz große Kunst ist das.
Es ist ein sehr wichtiges Werk, den „vergessenen“ Autorinnen wieder Gehör zu schaffen. Und es ist mehr als ein hoch erhobener Zeigefinger, wie es alte weiße Männer schafften, im Literaturbetrieb ihre Misogynie und alteingesessenes Patriarchat durchzusetzen. Erschreckend und schockierend ist das. Darum: kauft und lest dieses Buch! Es steht so vieles darin, so immens viele Informationen darüber, was der Literatur mehr oder weniger entsagt bzw. vorenthalten und versteckt wurde. Ganz große Leseempfehlung.