Klemm ist eine Verführerin. Witzig, fast plaudernd führt sie zu schmerzhaften Facetten der Entsolidarisierung von Frauen. Es scheint gerade in der Luft zu liegen, die literarische Verarbeitung vermeintlich unversönlicher Differenzen und die Suche nach Gemeinsamkeiten in entzweienden Debatten. Wenn
wir uns nicht betroffen fühlen wollen, liest sich »Einzeller« wie für Dennis Scheck, als eine große…mehrKlemm ist eine Verführerin. Witzig, fast plaudernd führt sie zu schmerzhaften Facetten der Entsolidarisierung von Frauen. Es scheint gerade in der Luft zu liegen, die literarische Verarbeitung vermeintlich unversönlicher Differenzen und die Suche nach Gemeinsamkeiten in entzweienden Debatten. Wenn wir uns nicht betroffen fühlen wollen, liest sich »Einzeller« wie für Dennis Scheck, als eine große Kunst, Polemik, eine soziale Komödie mit intellektuellem Upgrade.
Für Simone, pensionierte Lehrerin, Gesicht der zweiten Welle des Feminismus, verwässern aktuelle Diskurse den femistischen Kampf. Je privater wir sie kennenlernen, desto mehr scheinen ihre Ambivalenzen durch. Sie ist dominant, hört Anderen wenig zu. Die ihr ergebene Eleonora darf ihr Befriedigung verschaffen und ausgerechnet der Finanzminister der Konservativen ist ihr Liebhaber. Auf der ersten Blick steht Lilly, eine attraktive junge Frau aus konservativen, priveligierten Verhältnissen stammend, für all das, was eine Simone wütend macht und resigniert. Denn Lilly arrangiert sich und sie möchte alles richtig machen, doch eins scheint klar, sie wird im Schoß der Kleinfamilie verschluckt werden.
Verwoben sind diese beiden Figuren in einen unterhaltsamen Plot, der viel Raum bereitstellt für pointierte Alltagsbeobachtungen, Widersprüche und Fragen. Lilly und Simone sind Teil eines feministischen Wohnprojekts, in dem noch drei weitere Frauen leben, deren Positionen und Gedanken leider nur in Andeutungen hervorscheinen. Da Simone prominent ist, stolpert die WG in ein Reality-TV-Format, das darauf angelegt ist, Differenzen komödiantisch zu schüren. Die politischen Verhältnisse, den Backlash in Abtreibungsdebatte, Familien- und Kinderpolitik, strukturelle und konkrete Gewalt gegen Frauen, spielt Klemm an entscheidenden Stellen ein und verunmöglicht damit eigentlich eine Schecksche Lesart.