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Da ist er nun also, der neunte "Brunetti" - für alle Fans, vor allem in Deutschland ein Muss im heimischen Bücherschrank. Fragt sich der - selbst von den erfolgreichen Verfilmungen mit Joachim Król und Barbara Auer, denen schon bald weitere folgen sollen - "unbeleckte" Rezensent unwillkürlich: Muss man sie alle gelesen haben, die acht Vorgänger-Bände, um die Faszination zu verstehen, den die Romane der Wahl-Venezianierin Leon offensichtlich ausstrahlen? Die Antwort ist: Nein!
Unverwechselbare Persönlichkeiten
Denn es ist der Autorin gelungen, ohne ausufernde Beschreibungsorgien ihre Haupt-Charaktere so plastisch zu zeichnen, dass sie bald auch für den "Neo-Brunettologen" zu unverwechselbaren Persönlichkeiten werden. Obschon es sicherlich außerordentlich aufschlussreich wäre, sie schon in früheren Fällen getroffen zu haben: Paola, die ebenso widerborstige, wie kluge Ehefrau unseres Helden.
Vice-Questore Patta, seinen Vorgesetzten, nach wenigen Sätzen erkennbares "Brechmittel vom Dienst" - ein Karrierist und Schleimer, der entweder seine Untergebenen schikaniert oder die ihm Übergeordneten hofiert und dabei nicht erkennt, dass er es nie wirklich zu etwas bringen wird.
Signorina Elettra, die Vorzimmerdame, im Wesen (wiewohl nicht Aussehen) der patenten und cleveren Sekretärin "Adelheid" aus der gleichnamigen TV-Serie nicht unähnlich, schaltet sie sich doch gern (und gut) ungefragt in laufende Ermittlungen ein und bringt - sei es nun durch ihre Kombinationsgabe, ihre Computerkenntnisse oder ihre zahlreichen Beziehungen - so manches in Erfahrung, was auf "offiziellen Wegen" wohl für immer verborgen bleiben würde und ist sich auch nicht zu schade, bei Bedarf verdeckte Ermittlungen durchzuführen.
Vianello, seinen treuen Assistenten, absolut unbestechlich und loyal, aber auch mit eigenen Ideen, ein "Harry" von Format, wie ihn sich ein Kommissar nicht besser wünschen könnte, um auch in brenzligen Situationen immer jemanden zu haben, auf den man sich 100%ig verlassen kann.
Unkonventioneller Brunetti
In "Feine Freunde" geben sie sich ein Stelldichein, um den (Un-?)Fall des bedauernswerten Signor Rossi von der Baubehörde aufzuklären - und alles, was dieser verhängnisvolle Sturz noch nach sich zieht.
Und so manches, was dem teutonischen Betrachter absonderlich erscheinen möchte, fände wohl kein Italiener der Rede wert: weder den Pathologen, der mit Prada-Köfferchen am Tatort erscheint, die Spurensicherung, die sich von angeblichen Bauarbeitern unverrichteter Dinge wegschicken lässt noch gar die Tatsache, dass das Bankgeheimnis ein solches nur für Menschen OHNE Verwandten, Freunde oder Bekannten in einem Kreditinstitut ist.
Kein Wunder also, dass es fast zwingend notwendig erscheint, dass sich Brunetti zur Ergreifung des Mörders ebenso unkonventioneller, um nicht zu sagen unlauterer Mittel bedient. So weit - so gut.
Spannender Plot und falsche Spuren
Spannender Plot, falsche Spuren, der eine oder andere Hinweis zum Mitraten für den Leser, sowie eine überraschende Auflösung, die allerdings doch sehr konstruiert wirkt und einen schalen Nachgeschmack hinterlässt, wie es in vielen Krimis der Fall ist, in denen die Täter eigentlich selbst Opfer sind - der Umstände oder jener Menschen, für die sie die Tat begehen.
Doch leider gibt es noch einen weiteren Aspekt, der wesentlich dazu beiträgt, den Leser mit einem unbefriedigten Gefühl zu entlassen: Es scheint nämlich als sei Donna Leon die Fähigkeit, ihren Figuren in wenigen Sätzen so viel Leben einzuhauchen, dass der Leser nicht umhin kann, sich für sie zu begeistern, mit ihnen zu leiden, über sie zu lachen oder sie abgrundtief zu verabscheuen, im vorliegenden Roman zum Verhängnis geworden.
Denn unweigerlich fragt sich der bis kurz vor Schluss faszinierte Leser, warum ihm die Autorin eine solche Vielzahl sympathischer, skurriler oder einfach nur fieser Zeitgenossen in mindestens zwei bis drei Neben-Handlungssträngen präsentiert, wenn diese am Ende einfach im Nirwana versickern. Muss der Tod des jungen Architekturstudenten, der in jeder Zeichnung zwei kleine Häschen versteckte, für immer ungeklärt bleiben? Wird sich das Wuchererpaar bis an sein Lebensende an verzweifelten Schuldnern bereichern dürfen?
Oder hat die Autorin einfach nur mit einem geschickten Schachzug dafür gesorgt, dass sich auch der nächste Band der Reihe in gewohnt erfolgreicher Manier verkaufen wird? (Michaela Pelz, www.krimi-forum.de)























