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Anna-Elisabeth Mayers heiter-melancholisches Romandebüt "Fliegengewicht"
Silberne Fäden durchziehen sein dunkles Haar. Die Augen sind ungewöhnlich hell, überstrahlt nur vom Weiß der Zähne und der Dienstkleidung. Doktor Winter, der schöne Kardiologe, schlendert unter den schmachtenden Blicken der Patientinnen durchs Krankenzimmer. Kaum ist die Visite beendet, plaudern die herzkranken Damen des heiter-melancholischen Debüts der Österreicherin Anna-Elisabeth Mayer über ihr Leben. Frau Ferdinand möchte es so bald wie möglich hinter sich lassen. Frau Ott zählt auf die Weisheiten aus der Biographie der Sophia Loren: "Das Geheimnis meiner Schönheit". Und Frau Blaser sorgt sich um ihren scheuen, Vogelstimmen sammelnden Sohn. Gemeinsam überreden die drei alten Damen die junge Ich-Erzählerin zu einer Wette: Wird sie mit dem Oberarzt anbändeln?
Anna-Elisabeth Mayer sorgt für hübsch ironische Arztromanszenen, für ein Klopfen und Flimmern alter und junger Herzen, vor allem aber bietet sie dem Leser ein komisches Kammerspiel. Vier Leben werden auf die Gespräche in einem Krankenzimmer reduziert. Zwischen Blumenvasen und Kompottschälchen blitzen vergangene Liebe und Ehen auf, melden sich Gewissen, Frau Sorge und leise Hoffnungen für die Zukunft. Der Dialog der Damen trägt den szenisch geprägten Roman im schnellen Wechsel der Stimmen: Frau Ott forciert, Frau Ferdinand wehleidig, Frau Blaser schwerhörig.
Das ist amüsant, solange der Dialog sich frei entfaltet, etwas ermüdend, wenn zu viele formelhafte Redeeinleitungen die Sätze ins Stocken bringen: "meinte Frau Blaser", "rief Frau Ott", "O Gott, Frau Ferdinand darauf". Hier ließe sich noch straffen und etwas sparsamer erzählen. "Bitte freimachen" - der Mann mit den Huskyaugen hört leidenschaftlich gern ab, die junge Erzählerin bittet er dazu in sein Arztzimmer hinter verschlossene Türen. Währenddessen drängen die Besucher in das Damenzimmer und ergänzen das Figurentableau. Die schrulligen und die stromlinienförmigen Kinder der alten Damen, Onkel und Tante der jungen Erzählerin - sie alle tragen die Außenwelt ins Krankenhaus, auf die bewusst engumgrenzte Bühne dieses Romans.
In komödiantischer Überspitzung kulminiert hier das Leben, wenn sich der Vogelfreund unbeholfen ans Bett der Erzählerin setzt, ihr Onkel mit puterroten Ohren der liebestollen Frau Ott Pralinen präsentiert und überraschend die Tochter aus Amerika in der Tür steht. Aber es ist Anna-Elisabeth Mayer mit ihrem ersten Buch auch ganz ernst. Im Hintergrund der fein gezeichneten Szenen lauern Schatten, aus denen sich langsam eine weitere Gestalt löst und hervortritt: der Tod.
SANDRA KERSCHBAUMER
Anna-Elisabeth Mayer: "Fliegengewicht". Roman.
Schöffling & Co. Verlag. Frankfurt am Main 2010. 220 S., geb., 18,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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