Stilles Schicksal, stark erzählt – jedoch mit Distanz
Zu Beginn hatte ich etwas Mühe, in die Geschichte hineinzufinden. Die Kapitel über Hedwigs Familie und die Generationen vor ihr zogen sich für mich etwas hin. Erst in den letzten Teilen hat mich das Buch wirklich erreicht, als Hedwig selbst
stärker in den Mittelpunkt rückte. Sie lebt Anfang des 20. Jahrhunderts als Lehrerin auf dem Land, ist…mehrStilles Schicksal, stark erzählt – jedoch mit Distanz
Zu Beginn hatte ich etwas Mühe, in die Geschichte hineinzufinden. Die Kapitel über Hedwigs Familie und die Generationen vor ihr zogen sich für mich etwas hin. Erst in den letzten Teilen hat mich das Buch wirklich erreicht, als Hedwig selbst stärker in den Mittelpunkt rückte. Sie lebt Anfang des 20. Jahrhunderts als Lehrerin auf dem Land, ist oft krank und wird von ihrer Umgebung kaum verstanden.
Ich hätte mir gewünscht, sie noch näher kennenzulernen. Ihre Gedanken, ihre Gefühle, ihr inneres Erleben. Stattdessen bleibt sie oft auf Distanz. Man spürt zwar das Mitgefühl und auch die Empörung des Autors über das, was ihr widerfahren ist, aber für mich blieb Hedwig als Person etwas verschwommen.
Christoph Poschenrieders Stil ist lebendig, fast wie in einem Gespräch. Man merkt, wie sehr ihm die Geschichte seiner Familie am Herzen liegt und dass er mit diesem Buch etwas wiedergutmachen wollte.
Mich hat berührt, wie Hedwig sich in einer Zeit behaupten musste, in der Frauen kaum eigene Wege gehen durften. Noch stärker hat mich bewegt, wie schnell sie als „nervenkrank“ abgestempelt und schließlich zum Opfer der NS-Zeit wurde. Diese Ungerechtigkeit hallt nach, auch wenn mich das Buch nicht auf jeder Seite fesseln konnte.
Am Ende überwiegt für mich der Respekt vor der Intention des Autors. Er hat einer Frau eine Stimme gegeben, die keine hatte und hat ihre wichtige Geschichte mit einer gewissen Distanz erzählt. 3 Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die ruhige, ernsthafte Geschichten bevorzugen und sich für historische Schicksale interessieren.