„Furcht“ ist mein erster Krimi des norwegischen Autors Sven Petter Næss und hat mich sehr überrascht. Ich brauchte zugegebenermaßen einige Zeit, mich in die Geschichte einzufinden, was eventuell auch daran liegt, dass ich den ersten Teil der Serie nicht gelesen habe. Auf Norwegisch sind inzwischen
vier Teile erschienen, auf Deutsch wurden bisher drei davon übersetzt. Aber als ich die Charaktere…mehr„Furcht“ ist mein erster Krimi des norwegischen Autors Sven Petter Næss und hat mich sehr überrascht. Ich brauchte zugegebenermaßen einige Zeit, mich in die Geschichte einzufinden, was eventuell auch daran liegt, dass ich den ersten Teil der Serie nicht gelesen habe. Auf Norwegisch sind inzwischen vier Teile erschienen, auf Deutsch wurden bisher drei davon übersetzt. Aber als ich die Charaktere auseinanderhalten konnte, begann das Buch Fahrt aufzunehmen und zunehmend Spaß zu machen. Ein norwegischer Polizist ermittelt in einem Fall in Edinburgh – das Setting hat Potential und der Autor holt das Maximum aus der Geschichte raus.
Aber von vorn.
Harinder Singh ist als Sohn indischer Einwanderer in Norwegen aufgewachsen und arbeitet als Polizist in Oslo. Familie ist ein wichtiges Thema für ihn, vor allem zu seiner Nichte Amandeep hat er ein enges Verhältnis. Ursprünglich wollte sie Polizistin werden, was von der Familie nicht akzeptiert wurde, daher ging sie nach ihrem Bachelor-Abschluss zur Armee, war im Auslandseinsatz und hat jetzt beschlossen, in Edinburgh ihren Master zu machen. Nach einem Wanderausflug mit Freunden wird sie an ihrer Haustür entführt und später schwerverletzt im Water of Leith, dem Fluss, der sich quer durch die Stadt schlängelt, gefunden. Harinder fliegt sofort nach Schottland, um der Familie beizustehen, aber auch um die Ermittlungen seiner schottischen Kollegen, allen voran DS Roisin Lawson gegebenenfalls zu unterstützen. Hilfe bekommt er durch Roisins ehemaligen Kollegen James Riddle. Hat Amandeeps ex Freund Vijay etwas mit dem Fall zu tun? Oder hat sie sich in ihrem letzten Nebenjob in einem dubiosen Club Feinde gemacht? Harinders Kollegin Rachel ermittelt in Oslo gegen die beiden Chefs des „Gemini“, denn sie werden unter anderem der Geldwäsche verdächtigt, sollen aber auch mutmaßliche Drahtzieher hinter einem Großteil des örtlichen Drogenhandels sein. Außerdem ist ihr Geschäftsführer vor einigen Monaten auf offener Straße hingerichtet worden. Zufälle oder hängt das alles zusammen?
Der Krimi hat mich nach einem etwas schleppenden Einstieg positiv überrascht. Oslo kenne ich nicht, aber die Schauplätze in Edinburgh hatte ich beim Lesen klar vor Augen. Die Charaktere fand ich gut ausgearbeitet. Harinder Singh ist ein kompetenter und zielstrebiger Ermittler, manchmal fand ich ihn allerdings etwas stressig in seiner Beharrlichkeit, oder besser gesagt: in seiner Sturheit. Auch die weiteren Personen wie Rachel Hauge, Roisin Lawson und James Riddle werden vom Autor lebendig beschrieben. Da ich den ersten Teil der Serie nicht kenne, waren mir die Protagonisten neu und auch sonst bin ich ohne Vorkenntnisse an „Furcht“ herangegangen. Probleme mit dem Verständnis hatte ich aber keine. Sprachlich fand ich das Buch ansprechend. Es ist flüssig zu lesen und die Übersetzung ist gelungen.
Insgesamt lebt das Buch von der fast konstant düster-bedrohlichen Atmosphäre. Durch die ständigen Wechsel der Schauplätze (der Autor wechselt fast kapitelweise zwischen Edinburgh und Oslo hin und her) ist das Tempo des Buchs und entsprechend auch der Spannungsbogen sehr hoch. Die Spannung wird durch einige Plot-Twists und die überwiegend kurzen Kapitel noch gesteigert. Fast jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger – danach wechselt der Autor den Schauplatz oder die Hauptperson und steigert damit die Spannung noch mehr. Der Schluss macht durch einen fulminanten Cliffhanger klar, dass das Buch Teil einer Serie ist, der nächste Band „Schuld“ ist auf Deutsch inzwischen ebenfalls erschienen.
Interessant fand ich auch, dass der Autor seinem Publikum Sikh- Traditionen nahebringt und anhand von Amandeep aufzeigt, welche Probleme diese für junge Frauen mit sich bringen können (arrangierte Ehen, eingeschränkte Freiheiten bezüglich der Berufswahl). Damit geht er über den reinen Krimi hinaus. Ich empfehle das Buch jedem, der psychologisch gut konstruierte spannungsgeladene Kriminalromane zu schätzen weiß. Fünf Sterne von mir.