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Deutschland erlebte im neunzehnten Jahrhundert zwei Episoden der Orientbegeisterung. Unter der Ägide Johann Gottfried Herders wurde der Orient für die Romantiker zur Wiege der westlichen Kultur, die sich an ihm erneuern sollte. Weitgehend vergessen ist aber die zweite orientalische Renaissance am Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Perry Myers beschreibt, wie Deutungen indischer und buddhistischer Traditionen damals helfen sollten, einer "Entzauberung" der säkularisierten westlichen Welt gegenzusteuern, und dabei auch mit nationalistischen und kolonialen Bestrebungen zusammenhingen. Indien und der schrittweise besser bekannte Buddhismus wurden in Anspruch genommen, Deutschland eine feste spirituelle Grundlage zu geben. Indem Myers seine Aufmerksamkeit insbesondere Autoren der zweiten Reihe - etwa dem Berliner Arzt und Buddhisten Paul Dahlke - und esoterischen Lehren wie der Theosophie widmet, zeigt er, wie breit die Wirkung des orientalistischen Diskurses im wilhelminischen Deutschland war. Dahlke beschäftigte sich mit der Vereinbarkeit von Buddhismus und moderner Wissenschaft, während Wilhelm Hübbe-Schleidens Wirken zeigt, dass die Theosophie nicht gegen kolonialistisches Denken gefeit war - die spirituelle Nähe zu Indien sollte Deutschland zum besseren Kolonialherren machen als die "materialistischen" Briten. Der Orient galt wieder als Allheilmittel, an dem Nation, Religion und Wissenschaft genesen sollten. (Perry Myers: "German Visions of India 1871 - 1918". Commandeering the Holy Ganges during the Kaiserreich. Palgrave Macmillan, New York 2013. 274 S., geb., 69,99 [Euro].)
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