Die österreichische Dichterin Friederike Mayröcker, am 20. Dezember 1924 in Wien geboren, hat von jeher in ihrer Poesie auf die Zusammenhänge von Zeit, Ort und Kausalität verzichtet. Ihre Gedichte sind virtuose Montagen von Dialogen, Assoziationen, Reflexionen, Erinnerungsfragmenten, Zitaten und
Wortneuschöpfungen, womit immer wieder neue Bezüge hergestellt werden. Hauptthemen sind die Magie der…mehrDie österreichische Dichterin Friederike Mayröcker, am 20. Dezember 1924 in Wien geboren, hat von jeher in ihrer Poesie auf die Zusammenhänge von Zeit, Ort und Kausalität verzichtet. Ihre Gedichte sind virtuose Montagen von Dialogen, Assoziationen, Reflexionen, Erinnerungsfragmenten, Zitaten und Wortneuschöpfungen, womit immer wieder neue Bezüge hergestellt werden. Hauptthemen sind die Magie der Sprache und die Bildende Kunst. Friederike Mayröcker war 46 Jahre lang die Lebensgefährtin von Ernst Jandl. Sie waren "das Paar" der dichterischen Avantgarde, beide auf unverwechselbare Weise genial. Sie beeinflussten einander und gingen trotzdem jeder seinen eigenen Weg. Obwohl Mayröcker sehr zurückgezogen lebte, hat sie das Draußen stets in ihre Gedichte aufgenommen.
Zum ihrem 80. Geburtstag hatte der Suhrkamp Verlag 2004 mit dem Band „Gesammelte Gedichte“ alle Gedichte aus den 65 zurückliegenden Jahren herausgegeben. Danach hatte sich die Schriftstellerin, die 2021 verstarb, entschlossen, „in eine ganz neue Richtung aufzubrechen“. Das Ergebnis waren vor allem Prosagedichte, die danach in einigen Lyrikbänden erschienenen und die jetzt zum 100. Geburtstag in dem Band „Gesammelte Gedichte 2004-2021“ noch einmal als Würdigung herausgegeben wurden. Daneben wurden verstreut veröffentliche und unveröffentlichte Gedichte und Proëme aufgenommen, die teilweise in ihrem Nachlass aufgefunden wurden.
"Man weiß nicht, wohin man kommt - man lässt sich tagtäglich neu überraschen", hat Friederike Mayröcker ihr dichterisches Credo einmal beschrieben. Es ist die immer erneute Suche nach einer Zeile, die sie vorantreibt. „Wenn ich ein, zwei Tage nicht schreiben kann, bin ich verzweifelt.“ Eines der Wunder von Mayröckers Poesie liegt in der Kunst, der Sprache Verblüffendes zu entlocken, was beim Leser immer wieder Erstaunen hervorruft. Bei allem, was Friederike Mayröcker schrieb, war sie stets eine Grenzgängerin zwischen den literarischen Genres, vom Surrealismus über die experimentelle Poesie bis zur typischen Mayröcker-Textmontage. Im Laufe der Schaffensperioden haben sich so unterschiedliche Ausdrucksformen entwickelt.
Ein Register im Anhang der Neuerscheinung ermöglicht die Einordnung der Texte in ihren ursprünglichen Publikationszusammenhang. Ein editorisches Nachwort des Herausgebers und Dichterkollegen Marcel Beyer rundet den wirklich gelungenen Sammelband ab.