Die Folgen der Wisch-und-Weg-Mentalität
Hand aufs Herz: Wer hat schon einmal einen unliebsamen Kontakt einfach im Sande verlaufen lassen? Dafür kann es ebenso gute Gründe geben wie für einen akribisch vorbereiteten Kontaktabbruch. Dass dahinter aber oft nur noch Kleinigkeiten stecken und dass
Dating- und Partnervermittlungsplattformen einen wesentlichen Anteil an der grassierenden…mehrDie Folgen der Wisch-und-Weg-Mentalität
Hand aufs Herz: Wer hat schon einmal einen unliebsamen Kontakt einfach im Sande verlaufen lassen? Dafür kann es ebenso gute Gründe geben wie für einen akribisch vorbereiteten Kontaktabbruch. Dass dahinter aber oft nur noch Kleinigkeiten stecken und dass Dating- und Partnervermittlungsplattformen einen wesentlichen Anteil an der grassierenden „Wisch-und-Weg“-Mentalität haben, ist das Thema in Tina Solimans Sachbuch „Ghosting“.
Was treibt Menschen dazu an, sich wie ein Geist in Luft aufzulösen, also „ghosting“ zu betreiben, und wie geht das Gegenüber damit um, wenn es „ge-ghostet“ wurde? Soliman hat unzählige Gespräche mit Opfern und Tätern, Therapeuten und Publizisten geführt. Einfühlsam und zugleich anklagend wird aufgezeigt, wie „ghosting“ neben dem Privatleben auch die Arbeitswelt erfasst. Die Thesen der Autorin decken sich weitestgehend mit meinen persönlichen Beobachtungen, wie Respektlosigkeit, Verantwortungslosigkeit, Konsumwahn und Kosten-Nutzen-Rechnungen selbst rein emotionale Lebensbereiche vergiften.
Dass die Schuld nicht nur bei den Online-Plattformen liegt, sondern die Weichen für solches Verhalten bereits in der Erziehung gestellt wurden, klingt auch in Solimans Buch an. Allerdings weist die Autorin wiederholt darauf hin, dass Fragen der Familienbindung bereits Gegenstand in ihren beiden vorangehenden Büchern sind. Leider kann ich nicht beurteilen, ob es inhaltliche Redundanzen zu den vorangegangenen Büchern gibt. Doch der stete Verweis auf die anderen Veröffentlichungen erzeugte in mir das Gefühl, in dem vorliegenden Buch nicht genug erfahren zu haben.
Die Autorin hat viele Abgründe aufgezeigt und wagt dennoch einen hoffnungsvollen Abschluss. Leider gab es auf der Zielgeraden aus heiterem Himmel eine Randnotiz zum Charakter vom Präsidenten Trump. Selbst wenn sein Name, wie die Autorin schreibt, oft in Gesprächen mit Therapeuten und Publizisten fiel, hätte ich ein Kapitel zu mehreren prominenten Beziehungsvermeidern oder Ghosts sinnvoller gefunden als einen völlig überraschend eingeschobenen Absatz.