Die 16-jährige Lucy ist total genervt: nach einem schweren Unfall, dessen Folgen auch nach Monaten noch Probleme bereiten, besucht sie nun ihren Vater in Venedig, das im November nicht so einladend ist wie erhofft. Als sie dann aber ihren Koffer auspackt und feststellt, dass der Inhalt nicht ihrer
ist, sondern kuschelige und hochwertige Kleidung beinhaltet, hebt sich erstmals nach ihrer Ankunft…mehrDie 16-jährige Lucy ist total genervt: nach einem schweren Unfall, dessen Folgen auch nach Monaten noch Probleme bereiten, besucht sie nun ihren Vater in Venedig, das im November nicht so einladend ist wie erhofft. Als sie dann aber ihren Koffer auspackt und feststellt, dass der Inhalt nicht ihrer ist, sondern kuschelige und hochwertige Kleidung beinhaltet, hebt sich erstmals nach ihrer Ankunft die Laune. Kurze Zeit später lernt sie auch noch einen geheimnisvollen Gleichaltrigen kennen, der behauptet, er käme als Bilderreisender aus dem Jahr 1740 – vielleicht hat Venedig ja doch mehr zu bieten als gedacht?
Stefanie Gerstenbergs „Gondelküsse und Seitensprünge“ hat mich zu Beginn ein wenig herausgefordert. Die Handlungsstränge und Figuren wollten erst sortiert werden, doch schon nach wenigen Seiten hat mich die Geschichte rund um Lucy in ihren Bann gezogen.
Lucy, eine 16-Jährige, die nach einem schlimmen Unfall mit den körperlichen und seelischen Folgen ringt, hatte von Beginn an mein ganzes Mitgefühl. Der Autorin ist es gelungen, ihre innere Zerrissenheit authentisch darzustellen — ihre Wut, ihre fehlende Akzeptanz, aber auch ihr langsames Wachsen an der Situation, haben mich sehr berührt. Besonders bewegend fand ich, wie realistisch der Roman zeigt, dass Dankbarkeit erst entstehen kann, wenn man selbst so weit ist, die eigenen Grenzen zu akzeptieren.
Zunächst wirkte der Roman tiefgründiger, aber auch schwermütiger als erwartet auf mich – ein bisschen wie das Novemberwetter in Venedig. Sobald aber der heimliche Schwarm – der „Wollmützentyp“ Jannis – auftauchte, wurde die Geschichte locker und leicht und nahm rasant an Fahrt auf. Jannis hat für viel Herzklopfen gesorgt. Das Knistern zwischen Lucy und ihm ist süß erzählt, nie kitschig, sondern herrlich echt. Ihre kleinen Flirtereien, Missverständnisse und das vorsichtige Annähern fand ich schön und sehr typisch für eine erste Teenagerliebe, obwohl sie sich manchmal selbst sehr im Weg standen. Der Bilderreisende Apollo dagegen war mir zunächst etwas zu dramatisch, passte aber perfekt ins alte, geheimnisvolle Venedig. Seine Sorge um „Lucys Ehre“ hat mich oft schmunzeln lassen und ich habe auch mit der Zeit ins Herz geschlossen.
Der kleine Fantasy-Aspekt (Lucys hat seit dem Unfall die Fähigkeit, Gedanken zu lesen und Stimmungen als Farben wahrzunehmen) brachte Leichtigkeit und Witz in die Geschichte.
Am schönsten fand ich, wie sich Lucy Stück für Stück öffnete, Schlagfertigkeit und Mut entwickelte — und wie sie es schaffte, Apollo zu helfen, obwohl sie selbst so viel mit sich trug.
Das Setting in Venedig passt wunderbar, auch wenn ich mir persönlich noch mehr Beschreibungen berühmter Sehenswürdigkeiten gewünscht hätte. Stattdessen erleben wir die Stadt konsequent durch die Augen einer 16-Jährigen, was absolut stimmig ist: Lucia war genervt, überfordert, staunend — so, wie Teenager eben sind.
Das Bildspringen, die Zeitreise-Elemente, der Hauch Magie: Das alles macht den Roman zu einer unterhaltsamen Mischung aus Coming-of-Age, Fantasy und Liebesgeschichte. Ein schöner, „echter“ Jugendroman jenseits von YA- und NA-Schmonzetten.
Mein Fazit: "Gondelküsse und Seitensprünge" ist mehr als nur ein leichter Sommerroman: Es geht um Schmerz, Neuanfang, Mut, erste Liebe – alles verpackt in eine atmosphärische Kulisse, die man trotz Regen und Novembernebel sofort spürt. Manche Szenen waren für mich ein wenig unrealistisch, aber das hat dem Lesespaß keinen Abbruch getan. Ein warmherziges Buch, das auch erwachsene Leser berührt.