Mein Hör-Eindruck:
Drei Freunde und eine Frau: das ist im Wesentlichen das Personal der Geschichte. Michael, der Schriftsteller, Bruno, der Schauspieler und Titus, der Drehbuchschreiber, sind Freunde seit der Schulzeit und alle erfolgreich in ihrem Beruf. Sie treffen sich nach Jahren durch Zufall
wieder, und damit klingt schon ein wesentliches Thema des Romans an: das Finden und Wiederfinden, sie…mehrMein Hör-Eindruck:
Drei Freunde und eine Frau: das ist im Wesentlichen das Personal der Geschichte. Michael, der Schriftsteller, Bruno, der Schauspieler und Titus, der Drehbuchschreiber, sind Freunde seit der Schulzeit und alle erfolgreich in ihrem Beruf. Sie treffen sich nach Jahren durch Zufall wieder, und damit klingt schon ein wesentliches Thema des Romans an: das Finden und Wiederfinden, sie verlieren sich aus den Augen und finden sich wieder.
Michael und Bruno treffen auf einer Reise eine schöne junge Frau, die sich Marietta nennt. Marietta ist traumatisiert durch ihre Vergangenheit und aus der Psychiatrie geflohen. Sie bildet nun für viele Jahre das Zentrum, um das die Freunde Michael und Bruno kreisen, auch als Marietta dauerhaft im Rollstuhl sitzt und auf tägliche Fürsorge angewiesen ist. Hier zeigt sich ein zweites großes Thema des Romans: die Heilung durch Kunst. Mariettas persönliche Therapie besteht darin, sich intensiv mit Teppichen zu beschäftigen und schließlich auch die Kunst des Knüpfens zu erlernen. Als es ihr zunehmend schlechter geht, richten Michael und sie sog. Erzähltage ein, an denen sie sich Geschichten erzählen. Aktiviert Kunst, in welcher Form auch immer, die Selbstheilungskräfte? Heilt Kunst seelische Traumata? Schließlich wird auch Titus, der Drehbuchschreiber und fiktive Autor des Romans, mit ins Boot geholt: Mariettas Leben soll verfilmt werden, er soll das Drehbuch dazu schreiben.
Mariettas Leben wird ausschließlich aus der Perspektive der drei Freunde gesehen, und so ist das Buch auch aufgebaut. Der Autor erzählt aus mehreren Perspektiven, jedoch niemals aus der Perspektive Mariettas, obwohl sie immer im Mittelpunkt steht.
Die Zeit vergeht, Marietta und die Freunde verlieren wechselnd den Kontakt zueinander, einige finden wieder zueinander, andere nicht. Alle werden älter, und zunehmend wird das Vergehen der Zeit zu einem weiteren Thema des Romans. Sehr eindrücklich ist der Bericht des inzwischen 80jährigen Titus. Trotz seines Alters ist keine Resignation zu spüren, er ist offen für Begegnungen mit anderen Menschen und er erkennt, dass immer ein Neubeginn möglich ist.
Die Themen erlauben keinen Spannungsbogen; der Leser erfährt keine Ursache für Mariettas rätselhafte Erkrankung, nichts Genaueres über ihre Traumatisierung in der Kindheit, keine Details aus dem Leben der Freunde. Der Roman fließt immer ruhig, manchmal etwas zu gemächlich dahin, aber das in einer wohltuend altmodischen, sehr poetischen Sprache. Peter Kaempfes Stimme passt mit seinem Timbre sehr gut zu diesem Erzählton. Sein Vorlesen ist zugleich Gestaltung und erleichtert das Verständnis.