Eine moderne, feministische (Anti-)Liebesgeschichte - Aufwühlend, verletzlich, sanft und kämpferisch zugleich
Wie ist es möglich in einer Welt, die nur funktioniert indem du deine Rolle als Frau einnimmst, mit all ihren Erwartungen, du selbst zu sein? Eine eigene Identität überhaupt zu
entwickeln? Und wenn du das einmal geschafft hast - was bedeutet es in dieser Situation als Frau einen Mann…mehrEine moderne, feministische (Anti-)Liebesgeschichte - Aufwühlend, verletzlich, sanft und kämpferisch zugleich
Wie ist es möglich in einer Welt, die nur funktioniert indem du deine Rolle als Frau einnimmst, mit all ihren Erwartungen, du selbst zu sein? Eine eigene Identität überhaupt zu entwickeln? Und wenn du das einmal geschafft hast - was bedeutet es in dieser Situation als Frau einen Mann zu lieben und gleichzeitig sich selbst treu zu bleiben? Und ist Liebe überhaupt genug vor diesem Hintergrund? Mit diesen Fragen sieht sich Hero konfrontiert, als ihr Partner von ihr ein Bekenntnis zur Heirat möchte. Sieben Tage Auszeit sollen sie einer Entscheidung näher bringen. Genau diese sieben Tage, mit Heros Erinnerungen an vergangene Beziehungen, ihre Sozialisation als Frau, und Reflexionen der Beziehung und Liebe zu ihrem aktuellen Partner begleitet der Roman, verfasst als eine Art Brief in Tagebuchform in der Du-Form, adressiert an ihren Partner.
Über geschickt und poetisch eingeflochtene Referenzen in Antike, Mittelalter, aber auch die jüngere Vergangenheit mit Blick in die frühen Jahre von Heros Mutter, zeigt die Autorin in Heros Erleben die Kontinuität und Macht patriarchaler Strukturen und Kultur auf und wie sich Frauen in jedem Zeitalter immer wieder darin verfangen, sich beugen, täuschen lassen und immer wieder enttäuscht werden. Sexismus, Misogynie und alle Auswüchse des Patriarchats werden von der Hexenverbrennung bis in die Gegenwart geschickt in die Erzählung und Heros Reflexionen eingeflochten. Neben der persönlichen Ebene sehe ich es als besonderes Verdienst der Autorin auch die systemischen Aspekte dieser Strukturen herauszuarbeiten. Die Unterwerfung der Frau unter die Wünsche des Mannes stabilisiert heute ein patriarchales System ebenso wie es früher Königreiche stabilisiert hat. Und gleichzeitig zeigt dies umgekehrt wie viel Macht Frauen hätten, wenn sie sich solidarisieren und Aufbegehren, nicht nur um sich selbst aus der Unterdrückung zu befreien, sondern um die permanente Reproduktion patriarchaler Gesellschaftssysteme endlich zu durchbrechen. Auch hierzu zeigen sich im Roman einzelne Szenen der Schwesternschaft, die berühren und Hoffnung machen.
Vor diesem Hintergrund wird auch die gleichberechtigte Liebe auf Augenhöhe zu einer fast unauflösbaren Aufgabe, denn die Frau, hier Hero, hat in diesen Strukturen noch immer das meiste zu verlieren. Genau diesen Widerspruch arbeitet Buckley unglaublich kraftvoll, ebenso wie sensibel heraus. Heros Zerrissenheit, der Drang nach Selbstbestimmung und gleichermaßen die Liebe zu ihrem Partner und aufrichtige Erwiderung dieser werden mit jeder Zeile spürbar. Es ist zum Teil schwer auszuhalten und sehr authentisch wie Hero ihre Sozialisation als Frau beschreibt, in der ihr vermittelt wurde, dass nichts zu groß ist, um es einem Mann recht zu machen und es letztlich das Einfachste ist, jegliche eigene Kontur verschwinden zu lassen und ganz in den Wünschen des Mannes aufzugehen. Dabei spielt die Autorin im Laufe der Erzählung immer wieder hintergründig und gekonnt mit dem Heldenmotiv, als Zielgröße für Hero selbst und ihre eigene Entwicklung, aber gleichzeitig auch als Projektion in die Männer ihrer Vergangenheit.
Die Sprunghaftigkeit, Schnelligkeit und sich wandelnde Melodie der Erzählung mögen beim Lesen machmal kurzzeitig verwirren, doch spiegeln sie dabei gleichzeitig gelungen Heros Gefühlsleben authentisch in Stil, Struktur und Wortwahl des Romans wider.
Hero ist ein Buch, das ich gerne viel früher in meinem Leben gelesen hätte und mir auch als zeitgemäße Lektüre in der Oberstufe vorstellen könnte, um junge Frauen und auch Männer, in einer authentischen Sprache und auf Augenhöhe abzuholen und für patriarchale Strukturen, ihre Macht und Prägung zu sensibilisieren. Ganz klare Empfehlung für diese ungewöhnlich erzählte, moderne, emanzipatorische (Anti)Liebesgeschichte!