Eines der, wenn nicht DAS beste Buch über die ersten fünf Jahrzehnte des 20ten Jahrhunderts...
Von Ian Kershaw habe ich bereits so gut wie alle Bücher, die er über diese Jahrzehnte und die Personen, die für die Katastrophen dieser Zeit verantwortlich waren, gelesen, eher verschlungen. Weil der
Autor es hervorragend versteht, die Ereignisse, die Vorgehensweisen, die Ursachen für die Katastrophen…mehrEines der, wenn nicht DAS beste Buch über die ersten fünf Jahrzehnte des 20ten Jahrhunderts...
Von Ian Kershaw habe ich bereits so gut wie alle Bücher, die er über diese Jahrzehnte und die Personen, die für die Katastrophen dieser Zeit verantwortlich waren, gelesen, eher verschlungen. Weil der Autor es hervorragend versteht, die Ereignisse, die Vorgehensweisen, die Ursachen für die Katastrophen nachvollziehbar zu analysieren. Mit einem Schreibstil, der hervorragend lesbar ist.
Mit 'Höllensturz' ist ihm ein extrem wichtiges Buch gelungen. Weil er notwendigerweise auch auf die Kriegsschauplätze, Schlachten, unvorstellbare Massaker vieler Deutschen, aber auch, was den Zweiten Weltkrieg betrifft, des russischen Militärs eingeht. Das alles steht aber nicht im Mittelpunkt der knapp 800 Seiten.
Ian Kershaw geht es um die politischen Hintergründe, die Stimmungen in der Bevölkerung, die aus machtpolitischen Gründen getroffenen Koalitionen, Verträge, Übereinkünfte, persönliche 'Eitelkeiten' der Machthaber, die russische Revolution, Stalin, Churchill, den immensen Zulauf der NSDAP, den anfänglichen Isolationismus der USA. Ebenso wie um die kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Auswirkungen. Die Gründe für den Nationalismus, sei es im Deutschen Reich, während des Ersten Weltkrieges, der Zeit der Weimarer Republik, und natürlich während des Zweiten Weltkrieges. Wobei der Blick des Autoren auch nach Süden, also in Richtung des italienischen Faschismus, personifiziert mit Mussolini geht.
Es liessen sich hier noch viele weitere Blickrichtungen anführen. An einigen Stellen stellt man unwillkürlich einige grundsätzliche Übereinstimmungen zu den aktuellen Gegebenheiten fest. Zitat Seite 694, es geht um den so genannten Marshall-Plan, mit dessen Hilfe die USA auch aus Eigennutz dem zerstörten West-Europa zum einen wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen. Zum Zweiten aber auch Ihre eigene Wirtschaft anzukurbeln beziehungsweise am Laufen zu halten. "Der Marshallplan war alles andere als altruistisch. Er nutzte der amerikanischen Wirtschaft ebenso wie der europäischen, denn die meisten Güter, die mit Mitteln des Plans gekauft wurden, kamen aus den USA." (Seite 692). Und zum Dritten konnte mit dem Marshallplan beziehungsweise dessen Wirkung in der breiten Bevölkerung West-Europas ein Bollwerk gegen Stalins Machtgelüste errichtet werden. Der ganz Europa unter kommunistische, also sowjet-russische Führung, besser Diktat bringen wollte.
"Der amerikanische Diplomat William L. Clayton, eine Schlüsselfigur hinter dem Marshallplan, traf wohl den Kern der Sache: »Das Problem mit den Briten ist, dass sie noch mit jeder Faser an die Hoffnung klammern, dass sie auf die eine oder andere Weise mit unserer Hilfe in der Lage sein werden, das Britische Empire und dessen Führung für sich zu erhalten.« Großbritannien, so George Marshall kurz und bündig, wolle zwar »von einem europäischen Programm rundum profitieren«, beharre zugleich aber darauf, »kein vollständig europäisches Land« zu sein."
Wem kommt bei solchen, immerhin vor etwa 70 Jahren getroffenen Feststellungen nicht das Brexit-Drama in den Sinn?
Zum Abschluss dieser paar Zeilen muss noch ein Zitat herhalten. Diesmal von der Rückseite des Buchdeckels:
"Die Geschichte des zweiten Dreißigjährigen Kriegs in Europa ist nie besser erzählt worden."
So Sir Christopher Clark, Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine’s College in Cambridge.