Auf den Punkt gebrachte Dystopie über die gegenwärtige Frauenfeindlichkeit, verpackt in einen aberwitzigen Roman
Roman gönnt sich was. Denn er ist der ärmste und bedauernswerteste Mann auf der ganzen Welt. Denkt er, weil seine über alles geliebte und vergötterte Julia ist nicht mehr an seiner
Seite. Und es ist natürlich nur alles ihre Schuld und die ihrer Freundinnen, und außerdem und…mehrAuf den Punkt gebrachte Dystopie über die gegenwärtige Frauenfeindlichkeit, verpackt in einen aberwitzigen Roman
Roman gönnt sich was. Denn er ist der ärmste und bedauernswerteste Mann auf der ganzen Welt. Denkt er, weil seine über alles geliebte und vergötterte Julia ist nicht mehr an seiner Seite. Und es ist natürlich nur alles ihre Schuld und die ihrer Freundinnen, und außerdem und überhaupt. Zum Glück regiert jetzt die Männerpartei, Frauen werden in Camps gehalten oder werden systematisch eliminiert. Gibt es doch so lebensechte Androidinnen für alle erdenklichen Lebens (- und Liebes)lagen. Und das allerbeste: im Hotel Love kann Mann sich binnen weniger Tage seine Wunschfrau zusammenstellen lassen und diese heiraten. Als kostenpflichtige Option kann man dann auch gleich ein Kind, vorzugsweise einen Sohn, mit dazu bestellen. An manchen Tagen gibt es dafür sogar einen lukrativen Rabat. Oder für einen zweiten Kopf der Auserwählten. Oder einem eigenen Satz Zungen mit mehreren Geschmacksrichtungen.
Und was macht Roman: er lässt sich natürlich seine Julia 1:1 nachbauen. Sogar die Anzahl der Sommersprossen ist identisch. Julias 2.0 einprogrammiertes Primärziel lautet Roman glücklich zu machen. Was gar nicht so einfach ist, denn es stellt sich im Laufe des Romans heraus, wie Roman wirklich tickt. Eifersucht bis zum Platzen, Kontrollwahn, sprich die personifizierte Toxizität. Da tut sich dann sogar eine KI schwer damit. Aber es wäre nicht eine KI, wenn sie am Ende keine Lösung parat hätte. Und die gilt dann im Kollektiv für alle als Frauen programmierte Roboter … und alle werden glücklich, oder so ...
Der Roman ist mehr als eine wunderbare Satire auf das Patriarchat, dem eigentlich die gesamte Menschheit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Man kann ihn eine Dystopie nennen, oder einfach eine nur sehr klug inszenierte, natürlich (sehr) überspitzte Metapher darüber, wie es in der männerdominierten Welt abläuft. Wir kennen alle die gesellschaftlichen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern. Aber dank der Männerpartei, die Roman natürlich nie und nimmer gewählt hätte, wären ihm all die Konsequenzen bewusst gewesen, sind diese nun obsolet.
Aber eine richtige Julia wäre ihm schon lieber gewesen …
Man muss unweigerlich beim Lesen schmunzeln und gleichzeitig den Kopf schütteln, das Lachen könnte einem im Halse stecken bleiben.
Geschickt inszeniert, wechselnd von der nahen Zukunft im Love-Ressort zu Rückblenden ins gemeinsame Leben von Julia (der aus Fleisch und Blut) und Roman, entpuppt sich sehr schnell, welchen Geistes Kind er ist.
Und der allgemein gültige und verwendete Gruß „Love Kanzler“ zu Ehren des neuen Kanzlers der Männerpartei erinnert mich schon stark an jene faschistische Grußformel, die vor ca. 90 Jahren in aller Munde zu sein hatte.
Mit einem schnellen Erzähltempo rauscht man durch das Buch, kann trotz der vielen, oftmals nur angedeuteter Kritik an unserer Gesellschaft, diesen wunderbaren Roman von Petra Piuk nicht mehr aus der Hand legen.
Ganz große Leseempfehlung, und bestimmt ein Jahreslesehighlight.