Tabea Steiner, selbst in einer strengen freikirchlichen Gemeinschaft aufgewachsen, verarbeitet in ihrem Roman "Immer zwei und zwei" dieses Milieu, das sie aus persönlicher Erfahrung kennt. Als junge Erwachsene hat sie diese Freikirche verlassen – ein biografischer Hintergrund, der sich deutlich im
Roman widerspiegelt, auch wenn die Geschichte fiktional bleibt.
Im Zentrum steht die junge…mehrTabea Steiner, selbst in einer strengen freikirchlichen Gemeinschaft aufgewachsen, verarbeitet in ihrem Roman "Immer zwei und zwei" dieses Milieu, das sie aus persönlicher Erfahrung kennt. Als junge Erwachsene hat sie diese Freikirche verlassen – ein biografischer Hintergrund, der sich deutlich im Roman widerspiegelt, auch wenn die Geschichte fiktional bleibt.
Im Zentrum steht die junge zweifache Mutter, Künstlerin, Teilzeit-Lehrerin und Ehefrau Kristin, die in einer fundamentalistisch geprägten christlichen Gemeinschaft lebt. Die Handlung entfaltet sich zunächst in kurzen, vignettenartigen Szenen, die vor allem im ersten Teil des Romans eine bemerkenswert dichte, fast klaustrophobische Atmosphäre erzeugen. Mit wenigen Worten gelingt es Steiner hier, die rigiden Strukturen und subtilen wie offenen Zwänge dieser Welt spürbar zu machen. Besonders eindringlich sind die Passagen, in denen die religiöse Erziehung von Kindern thematisiert wird: ein Leben im ständigen Schwarz-Weiß-Denken, das von Schuld, Angst und der Drohung göttlicher Strafe geprägt ist.
Diese latente Bedrohlichkeit wird konkret, als sich die Protagonistin in eine Frau verliebt – eine Zuneigung, die im Umfeld der Gemeinde nicht nur tabuisiert, sondern auch aktiv bekämpft wird. In der Folge zieht ihr Ehemann ohne Vorwarnung mit den gemeinsamen Kindern zur Schwiegermutter. Kristin wird damit nicht nur emotional, sondern auch ganz praktisch isoliert – der Entzug der Kinder ist eine schmerzhafte und gewaltsame Konsequenz ihres Abweichens von der Norm.
Trotz dieser starken Anfangspassagen bleibt der Roman in seiner weiteren Entwicklung teilweise hinter dem eigenen Anspruch zurück. So bleibt die innere Wandlung der Hauptfigur, ihr allmähliches oder plötzliches Ablösen von der Gemeinschaft, auffallend unkonkret. Die Beweggründe für ihre Distanzierung erscheinen eher schemenhaft, was der Erzählung gerade in der zweiten Hälfte Tiefe nimmt. Auch die Nebenfiguren – seien es Mitglieder der Glaubensgemeinschaft, Familienangehörige oder Bezugspersonen – bleiben meist blass und fungieren eher als Funktionsträger denn als lebendige Figuren mit nachvollziehbaren Motivationen.
Trotz dieser Schwächen bleibt "Immer zwei und zwei" ein wichtiges literarisches Zeugnis darüber, wie restriktiv und angstbesetzt religiöse Erziehung sein kann – besonders dann, wenn sie nicht auf individuelle Freiheit, sondern auf Gehorsam und Unterordnung ausgerichtet ist. Der Roman überzeugt vor allem in seiner atmosphärischen Dichte und in den präzisen Schilderungen der Dynamiken innerhalb einer geschlossenen Glaubensgemeinschaft – ein Beitrag zur Literatur über religiöse Enge, der nachhallt.