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Der von seiner Krebserkrankung genesene Marco Russ hat ein Buch geschrieben / "Reise" mit dem Ich
FRANKFURT Doppeltes Comeback bei der Eintracht. Nicht nur Kapitän Sebastian Rode hat sich am Mittwoch nach seiner Knie-Operation zurückgemeldet und erstmals wieder im Kreis der Mannschaft mittrainiert. Auch Marco Russ, Rodes einstiger Mitspieler vergangener Tage, ist zur Wochenmitte in den Fokus gerückt. Geglückt ist dies dem mittlerweile 36 Jahre alten Profi im Ruhestand mit einer Darstellung seines bewegten Lebens. Russ ist unter die Schreiber gegangen. Wobei: Sein Erstlingswerk ist die Frucht einer Zusammenarbeit "mit meinem Ghostwriter", wie Russ präzisierte. Der heißt Alex Raack und hat sich über einen Zeitraum von einem Dreivierteljahr angehört, was ihm Russ in vielen Gesprächen am Telefon zu erzählen hatte. Eine ganze Menge, denn das Eintracht-Urgestein wollte nicht einfach nur eine Biographie vorlegen. "Dafür bin ich mit 36 ja noch viel zu jung und habe zu wenig erlebt. Ich dachte, nach 25 Seiten ist es schon vorbei." Ein Trugschluss. Am Ende sind es 238 Seiten geworden, und der Titel sagt, worum es Russ besonders gegangen ist: "Kämpfen. Siegen. Leben. Ein Leben für den Fußball und gegen den Krebs."
Marco Russ, einst an Hodenkrebs erkrankt, mittlerweile aber längst geheilt, hat nie ein Geheimnis aus seiner Krankheit gemacht. Mit offenem Visier hatte der einstige Verteidiger früher darüber gesprochen - jetzt liegen seine Gedanken, die auch und vor allem als Mutmacher dienen sollen, in Buchform vor. "Ich hoffe sehr, dass die Leser einiges mitnehmen können", sagte Russ am Mittwoch, als er in ungewohnter Rolle auf dem Podium im Pressekonferenzraum der Eintracht in der Frankfurter Arena saß und so redete, wie man ihn kennt: frisch, frei, flott. "Mit diesem Buch habe ich eine Reise gestartet." Eine Reise mit dem eigenen Ich.
Nicht nur die Krankheit hat sein Leben geprägt. Der emotionalste Moment seiner Karriere, in der ihn Trainer Friedhelm Funkel zum Profi machte: der Pokalsieg der Eintracht gegen die scheinbar übermächtigen Bayern. "Das war das Highlight", sagte Russ, "denn die Bayern waren das Nonplusultra auf der Welt." Der 3:1-Sieg damals am 19. Mai 2018 war nur möglich gewesen, "weil wir ein super Haufen waren. Dieser Erfolg hat uns für immer zusammengeschweißt." Noch heute gehören Torhüter Kevin Trapp und Verteidiger Timothy Chandler zu dem Kreis von Spielern, denen sich Russ weiterhin freundschaftlich verbunden fühlt. "Es war eine intensive, emotionale Zeit."
17 Jahre seines Lebens ist Marco Russ Fußballprofi gewesen. Mit Ausnahme eines kurzen Intermezzos beim VfL Wolfsburg 2011 stets im Dienste der Eintracht. Zwar fehle ihm jetzt "das Kabinenleben". Doch ganz weg von der aktuellen Mannschaft ist Russ nicht. Als Analyst hat er nach dem Karriereende vor gut einem Jahr ein neues Betätigungsfeld in der Spielanalyse gefunden. Für Trainer Oliver Glasner ist Russ einer von vier Zuarbeitern. Während zwei Analysten den Fokus auf die Eintracht richten, kümmert sich Russ im anderen Duo um die jeweilige Analyse des Gegners. "Eine Woche vor dem Spiel muss alles fertig sein", sagte er. "Gemeinsam mit meinem Partner möchte ich möglichst alles perfekt machen und voraussagen." Vor einigen Tagen hat scheinbar alles bestens geklappt: Die Eintracht hat tatsächlich die Bayern schon wieder geschlagen. Und ein kleines bisschen hat dabei vielleicht auch der erzählende Buchautor Russ mitgeholfen.
RALF WEITBRECHT
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