Ich mag die amerikanischen Familienromane, wie z.B. die Bücher von John Irving „Last night in twisted river“ oder „The world according to garp“; oder „Freedom“ von Jonathan Frantzen. Auch wenn sie überlaufen von konstruierten Situationen, in denen Sex und Gewalt dominieren. Das macht sie bis zu
einem gewissen Grade auch wieder unerträglich. Aber sie langweilen mich nicht, und es gibt immer…mehrIch mag die amerikanischen Familienromane, wie z.B. die Bücher von John Irving „Last night in twisted river“ oder „The world according to garp“; oder „Freedom“ von Jonathan Frantzen. Auch wenn sie überlaufen von konstruierten Situationen, in denen Sex und Gewalt dominieren. Das macht sie bis zu einem gewissen Grade auch wieder unerträglich. Aber sie langweilen mich nicht, und es gibt immer etwas, finde ich, das herausragend beschrieben wird und über das nachzudenken sich lohnt. Im Gegensatz zur neueren deutschen Literatur der jüngeren Generation, die mich nichts anderes als überwiegend langweilt.
Mir gefällt, ganz im Sinne des Vorangehenden, auch das Buch „Canada“ von Richard Ford, das ich in Englisch gelesen habe. In diesem Buch halten sich Sex und Gewalt in Grenzen; aber es ist ähnlich unwirklich wie Irvings Geschichten:
Die ungleichen Eltern rauben eine Bank aus, um ihre Ehe-Probleme zu lösen; der Mann um mit dem Geld die Ehe aufrecht zu erhalten, die Frau um mit dem Geld die Ehe zu beenden und zusammen mit ihren Zwillings-Kindern ein neues Leben zu starten. Der Bankraub mißlingt, weil dilettantisch vorbereitet, die Eltern müssen ins Gefängnis und die Zwillinge werden getrennt. Der Junge mit dem eigentümlichen Vornamen Dell ( ich mußte immer wieder an den Computer Hersteller denken) wird vor dem Zugriff des amerikanischen Jugendamtes in Canada verborgen gehalten, lebt dort in einer Hütte („shack“) und muß als Kind eine andere, aber nicht bessere Welt als im Haus der Eltern akzeptieren; das Mädchen mit dem eigentümlichen Vornamen Berner setzt sich ab und lebt bis zu ihrem Ende ein unglückliches Leben in unübersichtlichen Verhältnissen.
Eigentlich kann das, was Ford erzählt, so nicht passieren, und doch habe ich beim Lesen die Geschichte als Realität empfunden, wie das? Ich glaube, weil die Gestalten selbst, allesamt skurrile und randständige Erscheinungen, eine Wirklichkeit aufbauen, die mit der tagtäglichen wenig zu tun hat, aber eine mögliche Variante derselben sein könnte.
Und sehr zu Herzen geht. Die Szene, als die Geschwister die Eltern im Gefängnis besuchen und zumindest ahnen, dass sie sich nicht wieder sehen werden (Kap. 36+37), diese Szene ist herzzerreißend. Fords Dialoge im Gefängnis spiegeln die ganze Vergeblichkeit, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit, die dieser Familie innewohnt, und es ist die Dürre in seinen Worten, diese unsägliche Dürre, die die Reduziertheit der Gefühle in der Familie glaubwürdig vermittelt. Gefühle wollen hochkommen, aber sie können sich nicht entfalten, denn sie haben keine Basis, die Beziehungen zwischen den Kindern und Eltern geben nichts her, sie sind, trotz gelegentlich verzweifelter Anstrengungen, nur Fragmente, denen das Gemeinsame fehlt.
Was dann folgt, die Entwicklung von Dell in Canada in einer wiederum skurrilen, umgedrehten Gesellschaft, halte ich für schwächer; vielleicht weil kaum mehr von Berner die Rede ist, die ich für die stärkere Figur des Romans halte.
Zum Schluß dann noch einmal Lebensweisheit; Ford sagt (sinngemäß): „toleriere den Verlust, dann hast du eine bessere Chance, zu überleben. Erhalte das Gute, auch wenn es schwer zu finden ist. Wir alle versuchen es.“
Ich habe es auch versucht, zum Beispiel mit „Canada“. Aber dort das Gute zu finden ist tatsächlich nicht leicht. Ich fand eher das Böse, aber wie tröstlich, dass es eben doch nur das Böse in Fords Buch ist.