Mein Leseeindruck:
Dieser wundervolle Roman, der auf engem Raum so vieles ausdrückt, was zwischen den Zeilen zu lesen ist, hat mich sehr begeistert: Wird anfangs eher die Geschichte von Bill erzählt, seiner Herkunft und seinem Weltbild, das zunehmend Risse bekommt, da er sensibel, empathisch,
großmütig und sehr menschlich ist, so zeichnet sich bald ab, dass ihm bei der Auslieferung der…mehrMein Leseeindruck:
Dieser wundervolle Roman, der auf engem Raum so vieles ausdrückt, was zwischen den Zeilen zu lesen ist, hat mich sehr begeistert: Wird anfangs eher die Geschichte von Bill erzählt, seiner Herkunft und seinem Weltbild, das zunehmend Risse bekommt, da er sensibel, empathisch, großmütig und sehr menschlich ist, so zeichnet sich bald ab, dass ihm bei der Auslieferung der Kohlenlieferung im Kloster (und nach dem Ereignis im Kohlenkeller) eine trügerische Farce seitens der Oberin aufgebunden wird: Anfangs eingeschüchtert, durchschaut er mehr und mehr die Mechanismen der Macht und muss (und wird) sich am Ende entscheiden, ob er klein beigeben - oder ob er etwas unternehmen wird.
Allein durch die Figur des Bill Furlong, der ein großes Herz und viel Gerechtigkeitssinn hat, erhält dieser Roman trotz seiner knapp bemessenen Seitenzahl eine unglaubliche Dynamik: Man kann die innere Entwicklung dieses sympathischen Mannes auf sehr menschliche Art und Weise mitverfolgen, der sich seiner Mitverantwortung stellt und handelt!
Der Stil Claire Keegan's ist schnörkellos und geradlinig, er transportiert in jedem Satz nicht nur Worte, sondern auch tiefe Emotionen; die kurzen Kapitel, in denen wir Bill Furlong begleiten, in Kälte und Winter zum Kloster fahren, sind atmosphärisch und haben eine hohe Sprachdichte, wobei der Roman sehr gut zu lesen ist, was ich überaus schätze. Auch die Tatsache, dass Bill seinen Vater nie kennenlernte, verschafft der Geschichte um die berüchtigten "Magdalenen-Heime" in Irland (und Großbritannien) eine zusätzliche Spannung.
Fazit:
Ein überaus lesenswerter, kurzer, aber voller tiefer Emotionen steckender Roman, in dem es um die Auflehnung gegen Machtmissbrauch von Schutzbefohlenen geht. Für Mitmenschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein. Gegen das Wegschauen und das Verdrängen. Für Zivilcourage und persönlichen Mut, der in der Person von Bill Furlong zutage tritt. Den betroffenen Mädchen hätte man zu dieser Zeit (erst 1996 wurde das letzte Magdalenenheim in Irland geschlossen!) viele Bill Furlong's gewünscht!