Nepalesischer Geschichtsunterricht in einem packenden Roman rund um die Kindgöttin Kumari! Ein wunderbares Leseerlebnis!
Was wissen wir alles über Nepal? Geschichte, Religion, Politik? Sehnsuchtsort für viele Menschen am Fuße des Daches der Welt.
Das Land stand 2001vor einem Bürgerkrieg.
Maoisten wollten die Herrschaft des Königshauses stürzen. Ein Blick ins Geschichtsbuch zeigt, dass am 1.…mehrNepalesischer Geschichtsunterricht in einem packenden Roman rund um die Kindgöttin Kumari! Ein wunderbares Leseerlebnis!
Was wissen wir alles über Nepal? Geschichte, Religion, Politik? Sehnsuchtsort für viele Menschen am Fuße des Daches der Welt.
Das Land stand 2001vor einem Bürgerkrieg. Maoisten wollten die Herrschaft des Königshauses stürzen. Ein Blick ins Geschichtsbuch zeigt, dass am 1. Juni 2001 der Kronprinz Dipendra sein Land von der Monarchie befreien wollte und metzelte neun Mitglieder des Königshaues, darunter Vater und Mutter, dahin und richtete sich selbst.
Soweit der historisch-politische Hintergrund. Warum es so kam, und was vielleicht dahinter steckte, erzählt uns der Autor in einem sehr spannenden, und hervorragend recherchierten Roman.
Die titelgebende Kumari ist die wiedergeborene Schutzgöttin Taleju. Sie sieht alles, hört alles, weiß alles. Als Kleinkind, wenn die 32 Merkmale passen, vom Hohepriester aus der Bevölkerung Kathmandus ausgesucht, hat das Mädchen dieses Amt bis zu ihrer ersten Regelblutung inne. Mehr oder weniger eingesperrt, verdammt jeden Tag die Rituale auszuüben, ohne Schulbildung, wird sie danach mit einer kleinen Rente abgespeist und aus dem Tempel geworfen (pervers in meinen Augen).
Aber sie beklagt sich nicht. Sie erzählt uns, was sie sieht. Über sich selber und die nepalesische Götterwelt, über das Herrscherhaus, über Dipendra und seine Beweggründe. Und über Rupa Rana – eine fünfzehnjährige Rebellin, glühende Maoistin. Sie und ihre Mitstreiter*innen wollen Nepal umkrempeln. Sie wollen, der Lehre von Mao Tse Tung folgend, das Land dem Volk geben.
All das spielt sich rund um das Dasain-Fest ab. Es ist ein äußerst blutiges Opferfest (TW: es bedarf eines guten Magens bei der Lektüre). Denn Blut bestimmt nicht nur das Schicksal der Kumari …
Der Roman liest sich spannend vom Anfang bis zum Ende wie ein historischer Schinken epochalen Ausmaßes. Philip Krömer versteht es hier perfekt, die harten Fakten mit Fiktion zu vermischen. Er lässt ein ziemlich umfassendes Bild über Nepal entstehen – und das mit wenigen Worten auf gerade mal 220 Seiten. Man erkennt auf unterhaltsame Weise, wie und warum Religion (oder Mythologie) und Staat derart eng miteinander verschränkt sind.
Das Buch regt stark zum Nachdenken an. Auf der einen Seit der religiöse Wahnsinn, auf der anderen Seite die bedingungslose Aufgabe des Individuums im Maoismus, und nebenbei das Festhalten an feudalen Strukturen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Unterdrückung. Und genau die „Macht“ ist Triebfeder für jedes Handeln, ohne Rücksicht auf den Einzelnen. Jede*r ist nur ein Zahnrad im Getriebe des Machterhalts, egal in welcher Maschinerie sich diese Räder drehen.
Im Falle der Kumari ist es ein unschuldiges Mädchen, welches die Rituale des Blutes aufrechterhalten muss, sowie ein armes Mädchen aus der Provinz, das für ein größeres Etwas eingespannt wird.
Für mich war die Geschichte komplettes Neuland – und umso tiefer bin ich zwischen die Zeilen gefallen.
Gerne gebe ich eine ganz große Leseempfehlung für diesen tief schürfenden und nachdenklich machenden Roman, gespickt mit spannender Fiktion und harten Tatsachen. Herrlich erzählt, ohne viele Ausschweifungen. Chapeau!