Der Klappentext von "Lanny" machte mich unglaublich neugierig auf den zweiten Roman von Max Porter. Eine mythische Gestalt, ein abgelegenes Dorf, ein einschneidendes Ereignis - all dies wird angedeutet, nichts konkretisiert. Wundervoll! Ich wollte mich ins Ungewisse stürzen und mehr wissen. Wer ist
dieser Altvater Schuppenwurz, von dem die Rede ist? Was geschieht in dem Dorf? Und vor allem: Wer…mehrDer Klappentext von "Lanny" machte mich unglaublich neugierig auf den zweiten Roman von Max Porter. Eine mythische Gestalt, ein abgelegenes Dorf, ein einschneidendes Ereignis - all dies wird angedeutet, nichts konkretisiert. Wundervoll! Ich wollte mich ins Ungewisse stürzen und mehr wissen. Wer ist dieser Altvater Schuppenwurz, von dem die Rede ist? Was geschieht in dem Dorf? Und vor allem: Wer ist Lanny? Letztendlich ist "Lanny" ein Roman für Träumer, für diejenigen, die sich nicht davon abschrecken lassen, nicht alles zu verstehen und alles zu durchschauen. Denn es geht weniger um eine greifbare und realistische Handlung, sondern vielmehr um Gefühle, Ahnungen und nicht logisch nachvollziehbare Ereignisse.
So wenig greifbar "Lanny" bisweilen auch sein mag, es werden viele Themen aufgegriffen, die aus dem Leben gegriffen sind: Das Dorfleben, die Integration von Fremden in einer Dorfgemeinschaft, die Macht von Klatsch und Tratsch, Familie, Elternschaft, Freundschaft, Kunst, Kindesmissbrauch, Verlust eines Kindes, Trauer und die Aufdringlichkeit der Medien angesichts persönlicher Tragödien. Und mit all dem verwebt Max Porter die mystische Erscheinung von Altvater Schuppenwurz. Er ist so etwas wie ein Naturgeist, ein Gestaltwandler, der den Bewohnern lauscht, sich durch die Straßen und Häuser bewegt, und die Worte aufsaugt. Seine liebste Stimme ist die von Lanny, ein Junge, den eine besondere Naturverbundenheit auszeichnet. Er lebt in seiner eigenen Welt, singt und summt sonderbare Lieder vor sich hin, entschwindet in den Wald, bleibt dort für sich. Und eines Tages kommt er nicht nach Hause.
Was ist geschehen? Hat ihm jemand etwas angetan oder hat er nur - typisch Lanny eben - die Zeit vergessen, um am nächsten Tag vor der Tür zu stehen, als sei nichts gewesen? Seine Mutter und sein Vater sehen sich mit einem Verlust konfrontiert, den sie zu Beginn gar nicht recht für sich einschätzen können. Sie haben Lanny nie verstanden, stets fragten sie sich, was in seinem Kopf bloß vor sich geht. Fast könnte man meinen, dass gar keine richtige Bindung zwischen ihnen besteht. Doch mit jedem Tag, der ohne Lanny vergeht, nehmen sie deutlicher wahr, was ihnen eigentlich verloren gegangen ist.
Was mit Lanny geschehen ist, bleibt lange Zeit im Verborgenen. Zuerst fällt der Verdacht auf den eigenbrötlerischen, "irren" Pete, wie die Dorfbewohner ihn nennen. Die Dorfbewohner zerreißen sich das Maul, Polizei und Medien glauben, den Fall gelöst zu haben. Doch letztendlich ist alles ganz anders. Und hier entwickelt die Geschichte unverhofft einen starken Sog, der bis zur Auflösung am Ende anhält.
Nicht nur die Geschichte hat mich überzeugt, auch - oder besonders - stilistisch ist "Lanny" äußerst überraschend. Für Altvater Schuppenwurz reiht Max Porter aufs wunderlichste Wörter aneinander, sie erzeugen eine ganz eigentümliche Stimmung. Schuppenwurz hört den Dorfbewohnern zu und auf der Seite verwandeln sich ihre Stimmen in wellenbewegte Zeilen, Satzfetzen reihen sich aneinander, sie verschwimmen ineinander, als schwebten sie wie Wolken über dem Dorf. Später ist die Erzählung unterteilt in einzelne Absätze, wer spricht, lässt sich nur erahnen. Es ist ein einziges verworrenes Sprachgewirr und doch ergibt es Sinn, es entspricht dem Chaos, das um die Familie von Lanny herum ausbricht.
Fazit
"Lanny" von Max Porter ist kein Buch für Zwischendurch. So kurz es auch ist, bedarf es doch der ganzen Aufmerksamkeit des Lesers, denn wenig ist hier offensichtlich, vieles bleibt im Verborgenen, mystisch und geheimnisvoll. Es geht um Lanny, einen besonderen Jungen mit einer besonderen Verbindung zur Natur. Es geht um seine Eltern, die Zugang zu ihrem Sohn suchen, es geht um den alten Pete, der in Lanny einen Freund findet. Und es geht um Altvater Schuppenwurz, ein Wesen wie ein Gestaltwandler oder ein Geist, der das Dorf und seine Bewohner beobachtet und beeinflusst. Klingt sonderbar? Ist es auch. Aber auf die schönste Weise sonderbar, intensiv und mit