Christoph Zielinski, 1952 in der Nähe von Krakau (Polen) geboren, kommt 1957 mit seinen Eltern nach Wien. Heute ist er der führende Onkologe in Österreich und hat gemeinsam mit Herbert Lackner einige Sachbücher verfasst.
Dieses Buch ist eine Art Essay, der sich mit dem Fremdsein in einem
anderen Land und dem Gefühl der Verlorenheit beschäftigt. In einem ORF-Interview erklärt er, dass in…mehrChristoph Zielinski, 1952 in der Nähe von Krakau (Polen) geboren, kommt 1957 mit seinen Eltern nach Wien. Heute ist er der führende Onkologe in Österreich und hat gemeinsam mit Herbert Lackner einige Sachbücher verfasst.
Dieses Buch ist eine Art Essay, der sich mit dem Fremdsein in einem anderen Land und dem Gefühl der Verlorenheit beschäftigt. In einem ORF-Interview erklärt er, dass in seinen fiktiven Charakteren einiges aus zahlreichen wahren Personen steckt. Er beschreibt in eindringlichen Worten das Leben von mehreren polnischen Juden, die in der kurzen Zeit des Tauwetters als Nikita Sergejewitsch Chruschtschow von 1958 bis 1964 Regierungschef der UdSSR war. Unter seiner Herrschaft durften einige (jüdische) Bürger aus den Bruderstaaten des Warschauer Pakts in den Westen ausreisen. Viele dieser Menschen landeten zunächst für einige Zeit in Wien bis sie in die USA oder nach Israel weiterreisen konnten.
Obwohl es ein Netzwerk der jüdischen und polnischen Community gibt, sind die Anfänge für die Auswanderer nicht einfach. Vieles ist unbekannt und der Antisemitismus nach wie vorhanden. Man bewegt sich wie auf dünnem Eis. In der Rückschau, so Ophelia, war es in Polen gar nicht so übel - die politischen Einschränkungen, das fehlende Warenangebot fällt nun nicht so sehr ins Gewicht, wie die kaum beherrschte deutsche Sprache. Das unbequeme alte Leben in Polen, scheint plötzlich weniger bedrohlich zu sein, als das neue, unbekannte in Wien.
Wie sehr das NS-Gedankengut noch in den Menschen verwurzelt ist, kann man lesen, als Ada ärztlichen Rat bei einem ungenannten Professor sucht. Als er entdeckt, dass Ada Polin ist, erzählt er frisch von der Leber über seine Wehrmachtszeit in Lemberg und die schönen Polinnen dort.
Ihr Kommentar ist herrlich trocken:
„Wir waren offenbar gleichzeitig in Lemberg - Sie im Theater, ich im Versteck. Sie offenbar nur kurz, während ich über Jahre dort gewesen bin.“
Meine Meinung:
Das Coverfoto hat mir sehr gut gefallen, zeigt es doch das noch nicht ganz fertiggestellte Hochhaus Ecke Schwedenplatz/Laurenzerberg.
Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen. Der Schreibstil wirkt ein wenig melancholisch. Für Leserinnen und Leser, die sich in Wien nicht auskennen, kann es schwierig sein, sich zurecht zu finden. Als Wienerin, die im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, aufgewachsen ist und mehr als 40 Jahre im Karmeliterviertel gearbeitet hat, kenne ich natürlich die Straßen, Gassen und Plätze durch die Autor Christoph Zielinski seine Protagonisten gehen lässt. Auch das Café Prückl mit seiner Bridge-Runde sowie das Café Dogenhof sind mir bestens bekannt, habe ich doch in beiden Kaffeehäusern Tage des Schulschwänzens verbracht. Und am Schaufenster des Spielwarengeschäft in der Praterstraße, an dem Wacek vorbeiläuft, habe ich mir mehrmals die Nase platt gedrückt.
Diese Ausreisewelle Anfang der 1960er-Jahre, die hier beschrieben wird, habe ich nicht wirklich mitbekommen. Erst die zweite in den 1970er-Jahren als zahlreiche orthodoxe Juden die UdSSR verlassen haben, ist mir noch gut in Erinnerung.
Fazit:
Ein interessantes Buch über das Fremdsein und die Schwierigkeit ein anderes Land als neue Heimat anzunehmen. Gerne gebe ich diesem Roman 5 Sterne.